7 Thesen-Papier zur Energiepolitik
Am Runden Tisch hat sich eine Arbeitsgruppe mit der Lektüre von Scheers letztem und zusammenfassenden Werk “DER ENERGETHISCHE IMPERATIV” befasst und daraus sieben Thesen entwickelt.
Buchcover: Hermann Scheer, Quelle/Foto: privat-bpe
Die Zitate stammen aus Hermann Scheer „Der Energethische Imperativ“, der auch gesellschaftsstrukturelle Hintergründe und Zusammenhänge der Energiepolitik einbezieht. Bezüge zum aktuell noch stockenden Energiewechsel sind aktualisierend und als „Check“ eingearbeitet.
1.) Schleusen auf für Energie aus Erneuerbaren Quellen (EE)
Das Fazit der Stellungnahme des Runden Tisches Erneuerbare Energien (RT-EE) zum Referentenentwurf des „Osterpakets“ lautete:
„Es gibt nur noch eine Option: Sämtliche Schleusen für die erneuerbaren Energien müssen geöffnet werden. Die Bürokratie muss weg. Die Bevölkerung ist aufzurufen, völlig autonom zu handeln: Nicht anders als wenn man sich eine Heizung oder eine Waschmaschine kauft, sollen Solarmodule, Batterien, Laderegler und Wechselrichter angeschafft werden können. Alle, die es irgend ermöglichen können, sollen allein, zusammen mit Nachbarn, als Mietergemeinschaft, wie auch immer, Strom erzeugen. Wir benötigen jede erneuerbare Kilowattstunde, denn wir befinden uns in einer Notlage.“
Damit hätte die „Entfesselung“ der Bürgerenergie stattgefunden, die das Bündnis Bürgerenergie postuliert.
Es würde der Weg eingeschlagen, den Hermann Scheer folgendermaßen kennzeichnet: „Der politische Schlüssel für den Energiewechsel besteht darin, den bestehenden energiewirtschaftlichen Handlungsrahmen aufzubrechen. … Ein schneller Energiewechsel bedarf zahlreicher autonomer Akteure, die mit ihren Initiativen nicht warten wollen und auch nicht abwarten müssen, was andere tun.“ (Scheer, S. 27)
Dass das Fazit des RT-EE von der Energiewende-Bewegung breit unterstützt, geschweige denn von der Bundesregierung aufgegriffen worden wäre, ist nicht der Fall. Dennoch ist es wertvoll, dass diese Sätze im Raum und zur Verfügung stehen. Denn sie sind Hinweis auf die Möglichkeit der Türöffnung vom konventionellen Energiesystem mit dem ihm entsprechenden Rechtsrahmen hin zur Entwicklung einer neu gearteten Gesellschaft: „sozialere Verteilungsverhältnisse, Produktionsweisen und wirtschaftliche Strukturen“ (Scheer, S.166).
2.) Rahmen für raschen Energiewechsel: 100% EE
Gleichzeitig gibt es Versuche, einzelne Änderungen am bestehenden Rechts-rahmen zu veranlassen, die den dringend erforderlichen exponentiellen Ausbau der Erneuerbaren anstoßen könnten.
Beispielhaft seien genannt
- Claudia Kemfert und andere Wissenschaftler*innen führten mehrfach an, dass die Energiewende nicht das Problem, sondern die Lösung ist und Energiesparen, energetische Sanierung sowie Strom und Wärme aus Solarenergie sowie erneuerbare Nah- oder Fernwärmenetze Energiekosten senken und zudem Friedens-Energien sind, siehe:
https://www.energiezukunft.eu/politik/nur-erneuerbare-energien-schaffen-frieden/
- die von Hans-Josef Fell mit der Energy Watch Group zahlreich an Bundesregierung und/oder Parlamentarier gerichteten Vorschläge, u.a. für eine Kombikraftwerks-Vergütung, siehe https://hans-josef-fell.de/mit-neuer-kombikraftwerksverguetung-netzintegration-von-anlagen-effektiv-foerdern/
- die von Annika Joeres und Susanne Götzein ihrem Buch „Die Klima-schmutzlobby, Empfehlung in Kategorie »Das politische Buch 2020« der Friedrich-Ebert-Stiftung »Wer wirklich wissen will, warum das alles nicht so läuft mit Energiewende und Klimaschutz, der kaufe und lese dieses Buch. Großartig aber auch erschreckend!“
- der von Hans-Josef Fell, Dr. Axel Berg und Prof.Dr. Eicke Weber an die Bundesregierung gerichtete Vorschlag, das Amt eines/r „Bundesbeauftragten für Erneuerbare Energien“ einzurichten, siehe: https://hans-josef-fell.de/?s=Bundesbeauftragten+f%C3%BCr+Erneuerbare+Energien
- die von Ingo Stuckmann (Grüne, ZETT) u.a. erarbeitete Lösungsstudie mit konkreten Vorschlägen zur rechtzeitigen und sicheren Energie-Unabhängigkeit von Russland durch den schnellen Ausbau der Erneuerbaren Energien und massive Energie-/Kosteneinsparungen, siehe: https://www.zeroemissionthinktank.org/
Regierungsseitig beantwortet wurden alle diese Eingaben nicht.
Verhindert werden konnte die zunächst geplante Streichung der kleinen Wasserkraft und der Bioenergie aus dem EEG. Dass dies abgewehrt wurde, ist erfreulich, steht aber in keinem Verhältnis zu dem, was nötig wäre.
3.) Was dafür bisher getan wird
- und was rasch getan werden muss
Wälder brennen weltweit, auch in Deutschland in bisher nicht erlebtem Ausmaß. Das Holz gibt seinen Kohlenstoffgehalt in Form von CO2 in die Atmosphäre. Wasser, das bereits so knapp ist, dass vielerorts die Feldbewässerung eingeschränkt wird, muss in immensen Mengen zum Löschen verwendet werden. Die Motoren der Löschflugzeuge und Hubschraubern reichern die Luft zusätzlich mit Klimagasen an. Die Lage ist verzweifelt. Die Löschaktivitäten verstärken die Voraussetzungen für die nächsten Brände. Dies nur mal als uns gerade naheliegendes Beispiel.
Was macht die Bundesregierung:
- Energieumstellung im großen Stil auf LNG, den klimaschädlichsten Brennstoff überhaupt. Das LNG-Beschleunigungsgesetz, das von Umweltauflagen entbindet, wird in Rekordtempo durch den BT gebracht: Bau und Inbetriebnahme der erforderlichen Terminals an deutschen Küsten werden ohne gewissenhafte Prüfung der Folgen für Mitwelt, Ökosystem und Klima genehmigt.
- Kohleausstiegsgesetz wird gekippt.
- Atomausstiegsgesetz wird gekippt.
Was macht die Bundesregierung (noch) nicht:
- Das “Aufbauhilfe-Fonds-Errichtungsgesetz 2021“, welches so aus der Zeit gefallen ist, dass darin die Erneuerbaren Energien nicht einmal vorkommen, wird nicht gekippt. Dieses Gesetz ist in Stein gemeißelt und unveränderlich? Dass dadurch das geplante Energiewende-Leuchtturm-Projekt „Ahrtal wird Solartal“ verhindert wird, hält die Regierung offensichtlich für angebracht.
- Der Ukraine-Krieg wurde durch die Energiepolitik der Merkel-Regierungen seit 2010 wesentlich mit verursacht, da die Ausbremsung der Erneuerbaren Energien zur Abhängigkeit vom russischen Gas führte, was Putin den Aufbau seiner Militärmacht finanzierte. Die Ampel-Koalition hätte die Möglichkeit, diesen klima- und außenpolitischen Fehler mit seinen unabsehbaren Folgen zu korrigieren, indem sie den Ausbau der Erneuerbaren maximal forciert. Doch das Gegenteil geschieht.
- Außer dem Namenszusatz, den das Wirtschaftsministerium erhalten hat, sucht man die Sorge um das Klima vergeblich. Auf eine Anfrage des RTEE, ob die Bundesregierung beabsichtige, angesichts der teilweise durch deutsche Waffen verursachten kriegsbedingten zusätzlichen Treibhausgasemissionen die Schritte zur Einhaltung der Pariser Klimabeschlüsse anzupassen, kam die Antwort, dass dies nicht beabsichtigt ist. Eine Begründung für das Fehlen der Absicht gebe es nicht, siehe: https://fragdenstaat.de/anfrage/klimawirkung-des-ukraine-krieges/#nachricht-710375
- Bekanntlich wurde die einst blühende deutsche Solarindustrie vernichtet und damit auch begonnener Strukturwandel abgewürgt. Bei Lieferengpässen für Solar-Komponenten ist man weiter auf das Ausland angewiesen. Regierungs-mitglieder bereisen den Globus, um Erdgas und LNG zu akquirieren. Dass sie sich um die Beseitigung von Solar-Engpässen bemühen, vernimmt man nicht.
In den Jahren nach 2010 wurden ca. 100.000 Arbeitsplätze in der Solarbranche von den Merkel-Regierungen gezielt vernichtet. Diese Fachleute fehlen heute. Dass die Ampel-Regierung die Fehler ihrer Vorgänger-Regierungen korrigiert, indem sie Ausbildungsprogramme für Solarteure organisiert und fördert, erwartet man vergeblich.
- Dass Unternehmen eigeninitiativ werden und praxisnah gestaltete Aus- bzw. Weiterbildungskurse anbieten, ist ein weiteres Beispiel dafür, dass die Bürgerinnen und Bürger selbst die tragenden und treibenden Kräfte der Energiewende sind — wenn sie nicht durch bürokratische Hürden daran gehindert werden.
- Wenn es um Wegöffnung und Förderung geht, denkt die Regierung nicht an die Erneuerbaren. Bezüglich Einbeziehung in die Übergewinnbesteuerung erinnert sie sich ihrer sofort. Wer sich der überragenden/existenziellen Bedeutung der erneuerbaren Energien bewusst ist, wird sie heute so bevorzugt behandeln, wie es die fossilen und atomaren Energien seit Anbeginn ihrer Existenz genießen konnten.
- Dass die in der EU-Erneuerbaren-Richtlinie vorgeschriebene Ermöglichung von Energy Sharing und gemeinsamer Eigenversorgung nicht in deutsches Recht umgesetzt wurde, ist ein Rechtsbruch, gegen den das Bündnis Bürgerenergie (BBEn) beim Europäischen Gerichtshof Klage eingereicht hat. Bis diese zur Verhandlung kommt, ist allerdings mit einem Zeitraum von 6 bis 7 Jahren zu rechnen (so geartet ist das Rechtswesen). Als sich die Bildung der Ampel-Regierung anbahnte, erwartete man, dass es eine von deren ersten Handlungen sein werde, diesen Rechtsbruch aus der Welt zu schaffen. In den Koalitionsvertrag wurde das auch aufgenommen, umgesetzt aber weiterhin nicht. — Man vergleiche dies wieder mit den Tempi, die im Fall von Wohltaten für die konventionellen Energien hingelegt werden!
4.) Status Quo: weiter so
fossil-atomar vor dezentral-erneuerbar?
Mit Unbedachtheit, Unaufmerksamkeit, Vergesslichkeit oder dergleichen lässt sich das Regierungshandeln nicht erklären. Ganz offensichtlich haben wir es mit einem systematischen Vorgehen zu tun, dessen Prinzip darin besteht, die konventionelle Energieerzeugung zu bevorzugen und die Erneuerbaren zu benachteiligen. Dabei handelt es sich nicht um eine bloß innerdeutsche Angelegenheit: Die EU-Taxonomie hat Erdgas und Atom völlig ungerechtfertigt das Prädikat „nachhaltig“ erteilt. Bill Gates (beispielhaft für die Wallstreet) hat sich mit dem Buch “Wie wir die Klimakatastrophe verhindern” in die Diskussion eingemischt, um die von ihm mit sehr viel Geld vorangetriebene „neue Generation kleiner Atomkraftwerke“ ins Gespräch zu bringen. Die USA und Russland bringen sich bereits in Stellung, um das Erdgas unter der Arktis, sobald es durch weiteren Temperaturanstieg zugänglich wird, zu beanspruchen und diesen Anspruch mit militärischen Mitteln zu untermauern.
Dass dadurch die Klimaerhitzung ins Unermessliche getrieben wird, spielt auf dieser Ebene keine Rolle. Man geht dort davon aus, dass es für jedes Problem eine technische Lösung geben wird — vielleicht nicht für die gesamte derzeitige Menschheit, aber für deren „hoch entwickelten“ Teil. Im Übrigen interessiert sich das profitorientierte Denken seinem ganzen Wesen nach ohnehin nicht weiter für die Zukunft, als eine Generationsspanne reicht. Dass die fossilen Brennstoffe und das Uran bei Fortsetzung des derzeitigen Verbrauchs (diese Möglichkeit jetzt nur mal als Denkmodell unterstellt) in 100 bis 150 Jahren zu Ende gehen werden und dass dann die Sonne die einzige Energiequelle sein wird, darüber machen sich die heute lebenden Profiteure keine Gedanken.
Man muss davon ausgehen, dass die Ampel-Regierung sich diesen immer noch mächtigen Kräften angepasst hat. Das ist nicht weiter erstaunlich, denn schon immer waren es die Wirtschaftsmagnaten, die hinter den parlamentarischen Kulissen die Strippen gezogen haben. Diese Kräfte verbreiten die Behauptung, dass die Erneuerbaren niemals in der Lage sein werden, die gesamte Energiebereitstellung zu übernehmen. Klarzustellen, dass es sich hierbei um Wunschdenken einer Industrie handelt, die ihr Ende kommen sieht, aber versucht, es möglichst noch hinauszuschieben, wäre Aufgabe der Ampelregierung, wird von dieser aber nicht wahrgenommen.
5.) Paradigmenwechsel:
rasch dezentral-erneuerbar statt fossil-atomar
Warum wollen die Entscheider des überkommenen Energie‑, Wirtschafts- und Politiksystems die Erneuerbaren Energien nicht? — Ganz einfach: weil dieses System und die Erneuerbaren Energien nicht kompatibel sind. Das bestehende System ist zustande gekommen durch Erfindungen und Technikentwicklungen, die ihren Leistungsgipfel in der Installation weniger großer zentralistischer Einheiten erreichen. Insbesondere die Photovoltaik bringt völlig entgegengesetzte Gegebenheiten mit sich: Kleinteiligkeit, Dezentralität, Millionen von Kleinerzeugenden statt weniger Groß-konzerne. Dieser Wechsel kann sich unmöglich in den Strukturen vollziehen, die entsprechend den Interessen der fossilen und atomaren Energiewirtschaft hervorgebracht wurden.
Wie die im 19. Jahrhundert entstandene Großindustrie nicht in die Strukturen des auf Agrarwirtschaft und Handwerk basierenden Feudalismus passte, sondern die gesamte Gesellschaft radikal umwälzte, bringt auch der Wechsel auf die Erneuerbaren Energien notwendig völlig neue Strukturen mit sich. Die Energiebereitstellung wird von großen Teilen der Bevölkerung eigenverantwortlich durchgeführt. Dies stärkt das Selbstvertrauen von Millionen von Individuen. Es kommt zu einer breiten Emanzipation.
In solchem Umfeld stirbt das Interesse an scheinbarer Selbstverwirklichung durch Anhäufung ungeheurer materieller Reichtümer und entsprechender Machtausübung. Die derzeitigen Magnaten wollen sich und ihren Daseinsstil aber nicht aufgeben. Deswegen tun sie alles, um die Erneuerbaren klein zu halten und ersinnen Geschäftsmodelle, um auch sie unter ihre Kontrolle zu bringen. Doch auch wenn dies teilweise gelingt, bleiben die EE für sie ein gefährlicher Faktor. Mit wachsender Emanzipation werden sich Individuen der Kontrolle entziehen. Die Photovoltaik ist — auch in unseren Breiten — bereits die billigste Art, Strom zu erzeugen. Die EE sind klima- und umweltfreundlich. Und was vielleicht wichtiger ist als alles andere: ihr „gesellschaftlicher Wert“, wodurch sie zum „Kulturgut“ werden. Scheer: „Mit der Möglichkeit der autonomen Verfügbarkeit erneuerbarer Energien wird Energie vom bloßen Wirtschafts- und Konsumgut zum Kulturgut. … Aus der >passiven Energiegesellschaft<, mit immer weniger und dabei immer größer werdenden Anbietern einerseits und gleichgeschalteten und verplanten Energiekonsumenten andererseits, wird die >aktive Energiegesellschaft<, in der die Energieversorgung in wachsendem Maße autonom erfolgt, in zahlreichen neuen Trägerformaten.“ (S. 169) Dies wollen die Spitzenkräfte des bestehenden Systems unter allen Umständen verhindern.
6.) Einladung:
Mach/t mit für 100% EE ganz praktisch
Während die vor der Wahl von den jetzigen Regierungsparteien erweckten Erwartungen und gegebenen Versprechen wie Sand durch die Finger rieseln, wird die Bevölkerung eigenständig aktiv. Die Dynamik ist höchst erfreulich und enorm! Wir erleben einen Run auf Photovoltaik-Anlagen, wie schon lange nicht mehr. Das ist die Dialektik der explodierenden Energiepreise: Endlich erkennt die Bevölkerung, dass die Sonne keine Rechnung schickt. Es reicht die Investition in PV-Anlagen. Bisher für den Bezug der Energie aus fossil-atomaren Großkraftwerken nötige Brennstoff-Kosten entfallen. Alleinschon deshalb rechnet sich die Investition in dezentral-erneuerbar, immer!
Es geht um schnellstmöglichen Umstieg: https://energiewende-2030.de/themen/
Manche verkürzen die Wartezeit wegen überlasteter Betriebe, indem er oder sie selbst Hand anlegen. Für das eigene Balkonkraftwerk/Steckersolar-Modul und auch für Gemeinschaftlich finanzierte PV-Anlagen auf kommunalen Dächern. Selbsthilfe bei der Installation kann gerade auch in BürgerEnergie-Genossenschaften praktisch umgesetzt werden als „Mitmach-PV“ oder etwa durch Sammelbestellungen von Steckersolargeräten. Gemeinschaftlich erzeugten EE-Strom gemeinschaftlich zu vermarkten, Nahwärmenetze zu errichten, elektrische Nachbarschaftsautos einzuführen, sind weitere Möglichkeiten, die sich im Zuge der Energiewende eröffnen, und sowohl das Klima schützen als auch den Geldbeutel und den Zusammenhalt in Nachbarschaften stärken.
Der Solarenergie Förderverein (SFV) und „Metropol Solar“ unterstützen diese Bewegung vorbildlich, indem sie z.B. Nachbarschafts-Solarparties organisieren und Solarberater*innen ausbilden. Das sind Ansätze, aus denen sich viel entwickeln kann! Sie sollten sich flächig über das ganze Land ausbreiten.
„Die zur Ablösung der konventionellen Energien führende technologische Revolutionierung der Energieversorgung kann sich nur über viele unabhängige Initiativen an vielen Plätzen entfalten, nicht über eine technokratisch durchgeführte Planifikation durch politische und wirtschaftliche Entscheidungseliten, die diesen Prozess zeitlich und räumlich gestaffelt organisieren.“ (S. 159) Und: „Die Menschen haben deren [der erneuerbaren Energien] elementares Potenzial erkannt, mehr als es den meisten Regierungen bewusst ist und als es die überkommene Energiewirtschaft wahrnehmen will.“ (Scheer, S. 259)
7.) Wichtig: Das Spiel durchschauen
Aktuell kommt es darauf an, dass die Energiewende-Akteur*innen sich Klarheit darüber verschaffen, wie das Wirtschafts- und Politiksystem mit psychologisch raffiniert ausgeklügelten Kommunikations- und Handlungsmethoden funktioniert. Unausgesprochen steht dahinter die Absicht “Wachse oder weiche”: — Wachsen der fossil-atomaren, Weichen der erneuerbaren Energien.
Die in den 1990er Jahren betriebene offene Ablehnung der Erneuerbaren wird heute von einer Befürwortung abgelöst, die sich allerdings „mehr in Worten als im Denken und in Taten“ abspielt. „Vollmundige Bekenntnisse von Regierungen und Energiekonzernen, in denen der Eindruck vollen Engagements für erneuerbare Energien geweckt wird, trüben den Blick für die praktischen Prioritäten.“ (Scheer, S. 10). Dies beschreibt die aktuelle Situation treffend.
Das Spiel besser zu durchschauen,
kann als unsere derzeit wichtigste Aufgabe bezeichnet werden. Dieser Durchblick ist nötig, um ein Wirtschaften „weiter so“ mit seinen verheerenden Folgen zu vermeiden.
Aktuelle Praxis-Beispiele:
- Der unsägliche Hinterzimmer-Deal der Regierung mit RWE zum Dorf Lützerath im Rheinischen Braunkohle-Revier wird nach außen als Erfolg für den Klimaschutz verkauft, weil RWE bereit ist, schon 2030 aus der Kohle auszusteigen. Dass RWE bis dahin aber die gleiche Kohlenmenge verbrennen darf, die bis 2038 vorgesehen war, zeigt den Betrug. Diese Lösung ist für das Klima sogar noch schlechter, weil die Treibhausgase schneller emittiert werden als bei einem Ausstieg 2038.
Dass auch das Dorf Lützerath für Braunkohle nicht abgebaggert werden musste, zeigen zahlreiche hier gesammelte wissenschaftliche Studien: https://www.alle-doerfer-bleiben.de/
- Das Dorf Pödelwitz nahe Leipzig wurde durch langjährigen Widerstand und lösungsorientierte Gespräche gerettet. Doch warum mussten Tausende von Menschen ihre Freizeit und ihr Geld hierfür opfern, wo es doch Aufgabe der Regierung wäre, für das Wohl der Bürger*innen zu sorgen?
Das Bündnis „Alle Dörfer Bleiben Halle/Leipziger Land“, ehemals „Pödelwitz Bleibt!“, hat die Geschichte des Widerstandes rund um Pödelwitz festgehalten und illustriert. Pödelwitz Plakat (alle-doerfer-bleiben.de)
- Carbon Capture and Storage (CCS) ist die Behauptung, CO2 aus Prozessen abzusondern oder im Nachgang aus der Atmosphäre wieder einzufangen, um es dann zu „verpressen“. Dies ist mit hohen Kosten sowie auch enormem Technik‑, Rohstoff- und Energieaufwand verbunden und zudem ungeklärt, ob und wie dauerhaft und vollständig das eingelagerte CO2 im sogenannten „Geologischen Speicher“ verbleibt.
Vertiefende Quellen:
Umweltbundesamt:
Bürgerinitiativen:
https://keinco2endlager.de/aktuell/
http://berliner-wassertisch.info/informationsblatt-zu-carbon-capture-and-storage-ccs/