Janine O’Keeffe ist Mitbegründerin der internationalen Fridays-for-Future-Bewegung und steht in enger Verbindung zu Klima-Aktivistin Greta Thunberg. Sie fasst für den Runden Tisch Erneuerbare Energien die aus ihrer Sicht vier wichtigsten Punkte des Interviews von Giordano mit Greta zusammen.
Gegen Ende der COP26, also der 26. Weltklimakonferenz in Glasgow, hat die Klimaaktivistin Greta Thunberg dem australischen Politsatire-Kanal The Juice Media ein beeindruckendes Interview gegeben, welches in Form eines Podcasts veröffentlicht wurde. Der Runde Tisch Erneuerbare Energien hat den Inhalt transkribiert und stellt auf seiner Seite die deutsche Version des Interviews zur Verfügung.
In diesem Beitrag fast Janine O’Keeffe, die eng mit Greta Thunberg zusammenarbeitet, die aus ihrer Sicht vier wichtigsten Punkte des Interviews zusammen.
1. Das Böse und wie es definiert ist
Greta spricht in 2019 über den Prozess, etwas Schlechtes für die Umwelt zu tun und diese Taten fortgesetzt zu wiederholen, obwohl diese als schlecht bekannt sind. Diesen Gedankengang greift Greta in der COP-Rede 2021 erneut auf: „… lasst uns Klartext reden: Sie sind bereits wach und sie wissen ganz genau, was sie tun!“.
Ich stimme dieser Definition von „bösen“ Handlungen zu:
Irren ist menschlich, beharren ist teuflisch!
Georges Canguilhem
2. Aktivismus ist ein gesunder Weg, um Klimaangst zu reduzieren
Jeder intelligente Mensch, den ich kenne und der den Klimakollaps versteht, hat Klimaangst. Aktivismus ist eine großartige Möglichkeit, eine Gemeinschaft aufzubauen und Veränderungen zum Besseren einzufordern. Oftmals führt sie zum Ausdruck öffentlicher Wut und das ist weitaus erfolgreicher als die Verinnerlichung von Angst, die oft zu Depressionen führt.
3. Hoffnung ist in uns allen
Hoffnung ist in uns allen und wenn sie auf echter Ehrlichkeit basiert, hat sie eine viel bessere Grundlage. Ehrlichkeit und respektvolle Beziehungen wirken zusammen und passen zu dieser Diskussion über die „Seele“. Das Buch Reinventing Organizations von Frederic Laloux diskutiert Parker Palmers Beschreibung unserer „Seele“. Diese Beschreibung zeigt, wie er Hoffnung als ein Merkmal unserer „Seele“ sieht. Laloux zitiert Parker Palmer (Reinventing Organizations, Seite 147): „Welche Art von Raum bietet uns die beste Chance, das wahre Seelenleben zu erkennen und ihm zu folgen? … Meine Antwort stützt sich auf die einzige mir bekannte Metapher, die das Wesen der Seele widerspiegelt und gleichzeitig ihr Geheimnis ehrt: Die Seele ist wie ein wildes Tier …Leider bedeutet Gemeinschaft in unserer Kultur zu oft, dass eine Gruppe von Menschen zusammen durch den Wald rast und die Seele verscheucht. … Unter diesen Bedingungen können Intellekt, Emotionen, Wille und Ego gedeihen, aber nicht die Seele; wir verscheuchen all die gefühlvollen Dinge, wie respektvolle Beziehungen, guten Willen und Hoffnung.“
4. Demokratie, Gerechtigkeit und indigene Kulturen
Schließlich führt die Diskussion zu Demokratie, Gerechtigkeit und indigenen Kulturen, die an vorderster Front unserer Klima- und ökologischen Krisen stehen. Erstens bewahren diese Kulturen mehr als 80 % der verbleibenden natürlichen Lebensräume und sind daher in vielerlei Hinsicht eine Grenze für diese Krisen. Sie sind naturverbundener und sind sich der Krisen bewusst, die wir und unsere Systeme zu ignorieren gelernt haben. Zweitens sind sie seit Jahrhunderten dem Kolonialismus ausgesetzt und können uns viel über den Widerstand gegen die dominante zentralisierte Kultur fossiler Brennstoffe lehren, die wir „akzeptiert“ haben. Schließlich haben sie oft Praktiken, die wertvoll sind, um erstens Gerechtigkeit über längere Zeiträume zu erhalten und zweitens die Natur zu verstehen und zu lesen: „Bis wir WIRKLICH erkennen, dass wir ALLE miteinander verbunden sind, haben wir keine Chance. “ ist eine Denkweise, die wir oft vergessen haben.
Dieses Denken ist der Schlüssel zu „Lokal handeln. Global denken!“ und ist in vielen Wind- und Solargemeinschaften in Deutschland zu sehen.
Kontakt zur Autorin
Janine beantwortet gerne weitere Fragen zum Thema. Eine Kontaktaufnahme ist via Twitter und per E‑Mail möglich.
https://energiewende-2030.de/wp-content/uploads/2021/12/Janine_ClimateErmergency.png400400Jürgen Voskuhlhttps://energiewende-2030.de/wp-content/uploads/2021/12/RT-EE_LinksGross_Hires-300x96.pngJürgen Voskuhl2021-12-04 09:11:302021-12-12 10:44:17Die vier wichtigsten Punkte des Podcasts
Greta Thunberg spricht über die Bedeutung von Ehrlichkeit beim Kampf gegen die Klimakrise, ihre Erfahrungen mit der COP26, Klimagerechtigkeit und Gleichheit. Außerdem hält sie einige gute Ratschläge für Kinder und Jugendliche bereit, die Angst vor der Klimakrise haben. Neben dem englischsprachigen Original-Video finden Sie auf dieser Seite auch das Interview in deutscher Sprache.
The Juice Media (TJM) ist ein australisches Unternehmen, das politische Satire produziert. Es ist bekannt für die Internetserie «Honest Government Ads» , die als Satire „Werbung“ der australischen Regierung zeigt. Jedes Video greift dabei ein aktuelles soziales oder politisches Thema auf und zeigt die möglichen Folgen der Haltung/Politik der Regierung zu diesem Thema.
Nachdem TJM auch die US-Regierung und zuletzt die Klimakrise thematisiert hat, sind TJM und die Videos inzwischen weltweit bekannt.
In Podcasts zu den Videos diskutiert der Gründer von TJM, Giordano Nanni, das jeweilige Thema mit einem Experten aus dem Bereich.
Im Podcast 26, der hier als Video zur Verfügung steht (engl., mit engl. Untertiteln), spricht Giordano mit Greta Thunberg über die Bedeutung von Ehrlichkeit im Kampf für echte Klimaschutzmaßnahmen, ihre Erfahrungen mit der COP26, Klimagerechtigkeit, Gleichheit und ihre Ratschläge für Eltern und Kinder, die Angst vor der Klimakrise haben.
Janine O’Keeffe ist Mitbegründerin der internationalen Fridays-for-Future-Bewegung und steht in enger Verbindung zu Klima-Aktivistin Greta Thunberg. Sie fasst für den Runden Tisch Erneuerbare Energien die aus ihrer Sicht vier wichtigsten Punkte des Interviews von Giordano mit Greta zusammen. Mehr dazu…
Das Interview auf Deutsch
Ein kleines Team vom Runden Tisch Erneuerbare Energien hat das Interview übersetzt und präsentiert nachfolgend die deutschsprachige Fassung.
Giordano: Hallo zusammen, hier ist Giordano von The Juice Media! Willkommen zurück zum The Juice Media-Podcast, der die Serie Honest Government Ad begleitet. Diese Folge des Podcasts wurde auf dem Land der Wurundjeri [Anm.: ein Aborigines-Stamm in Australien] aufgenommen und ist die Begleitung zu unserer neuesten „Honest Government Ad“ zum Thema „Netto-Null bis 2050“:
Videoton: Hallo, ich bin von der Regierung und bringe Sie auf den neuesten Stand, wie wir mit der Klimakrise umgehen. Wir wissen, dass Sie alle darauf zählen, dass wir dieses Problem lösen, damit die Menschheit weiterhin ihre Lieblingsbeschäftigung genießen und auf diesem Planeten leben kann, aber wir haben erkannt, dass wir das Problem sind. Wir sorgen dafür, dass wir alle sterben!
Giordano: Als ich Greta Thunberg sagen hörte, sie wolle, dass die Regierungen in Bezug auf die Klimakrise ehrlich sind, hatte ich so etwas wie eine kleine Erleuchtung: „Hey, ich mache diese Serie mit dem Titel «Honest Government Ads», vielleicht kann ich Greta hier helfen.“ Also habe ich diese Folge von Honest Government Ad geschrieben und ich denke, es könnte das wichtigste Video sein, das wir bisher gemacht haben. Weil es den Menschen hilft, die Logik zu verstehen, nach der „Netto-Null bis 2050“, die Lösung, die sich die führenden Politiker der Welt für die Klimakrise ausgedacht haben, tatsächlich als Ersatz für Ehrlichkeit fungieren kann und so dazu beiträgt, katastrophale Verzögerungen bei der Ergreifung ernsthafter Klimaschutzmaßnahmen zu rechtfertigen. Ich habe Greta auch gefragt, ob sie einem Gastauftritt in dem Video zustimmen würde, was sie bejahte.
Greta: „Genehmigt von der Abteilung für blah blah blah“.
Giordano: Und dann schien es nur logisch, sie zu fragen, ob sie mein Gast im Podcast sein würde, da sie diesen Honest Government Ad inspirierte, was sie auch bejahte. Und deshalb ist mein Gast im heutigen Podcast Greta Thunberg. Greta muss man nicht vorstellen, aber für diejenigen, die es nicht wissen: Im Alter von 15 Jahren fing sie an, die Schule zu bestreiken, um stärkere Klimaschutzmaßnahmen zu fordern. Was Millionen von jungen Menschen weltweit dazu inspirierte, sich ihr anzuschließen, was zu den Schulstreiks für das Klima und der Fridays-for-Future-Bewegungen wurde. Mit ihren kraftvollen, direkten Reden hat sie den führenden Politikern der Welt von Davos bis New York in den Hintern getreten und ist zu einer der bekanntesten Persönlichkeiten der Welt geworden. Ihre zahlreichen Auszeichnungen, darunter jüngste „Person des Jahres“ des Time Magazine und ein Eintrag in die Forbes-Liste der 100 mächtigsten Frauen der Welt sowie mehrere Nominierungen für den Friedensnobelpreis haben sie nicht davon abgehalten, ein wunderbarer bodenständiger Mensch zu bleiben, der immer noch jeden Freitag mit den Mitschülern die Schule bestreikt. Greta, die jetzt 18 Jahre alt ist und gerade die High-School abschließt, redet heute mit uns von ihrem Zuhause in Schweden aus. Ich hoffe, Sie genießen unser Gespräch und wir sehen uns gleich wieder.
(Musik)
Giordano: Willkommen beim Juice Media Podcast, Greta! Es ist uns eine Ehre, dich heute hier bei uns zu haben.
Greta: Danke, es ist mir eine Ehre, hier zu sein! Ich bin wirklich ein großer Fan von The Juice Media, also ist es wirklich aufregend.
Giordano: Hör’ mal, du bist mir zuvorgekommen. Ich wollte gerade das Gleiche sagen: wir sind große Fans von dir! Und ich wollte das gleich zu Beginn loswerden, damit wir mit der Wissenschaft weitermachen können, aber ich danke dir ebenfalls für alles, was du tust, wirklich.
Greta: Gleichfalls.
Giordano: Ich weiß, dass du viel zu tun hast, damit unseren führenden Politikern in den Hintern zu treten und deine ganze Arbeit für die Schule zu machen. Daher danke für die Zeit die du dir nimmst, um hier zu sein. Zunächst einmal: wie geht es dir?
Greta: Mir geht‘s gut. Es ist jetzt Samstag, ich habe zwar nicht frei, aber wenigstens ist kein Schultag. Also kann ich jetzt versuchen, andere Dinge nachzuholen. Es ist heute ziemlich kalt, aber es ist schön. Also geht es mir gut. Mal abgesehen von allem, was sich im Moment auf der COP so abspielt. Dort sind alle gerade dabei, die Entwürfe fertigzustellen und das ist auch sehr interessant zu verfolgen. Um es vorsichtig auszudrücken.
Rückblick auf die COP26
Giordano: Ja, klar, also sehr gut, mal abgesehen davon, dass unsere führenden Politiker dabei sind, uns alle umzubringen, ist alles großartig, jenseits dessen. Lass uns über die COP sprechen. Du bist gerade von diesem Klimagipfel zurückgekehrt, der gerade zu Ende geht, während wir uns hier unterhalten. Ich denke, heute ist der letzte Tag. Wie ist dein Rückblick auf die COP26? Und übrigens nur eine Erinnerung, dass du hier so viel fluchen darfst, wie du willst. Wir rufen in dieser Podcast-Reihe in gewisser Weise sogar dazu auf.
Greta: Gut. Nun, ich bin jetzt schon vor fast einer Woche nach Hause gekommen. Ich war nur die erste Woche dort und so konnte ich sozusagen alles verarbeiten und mich von dem ganzen Chaos dort drüben etwas erholen. Ich denke, es ist abhängig davon, wer man ist. Wenn man fragt, wie die COP war, bekommt man sehr, sehr unterschiedliche Antworten. Von einigen Leuten, welche Angst haben die Menschen zu enttäuschen, hört man, dass es Fortschritte gibt und wir langsam gewinnen. Aber wir müssen uns vergegenwärtigen, dass, wenn es um die Klimakrise geht, langsam zu gewinnen gleichbedeutend damit ist, zu verlieren. Wir können die Klimakrise nicht mit Fortschritten lösen. Wenn ich mich mit Leuten unterhalte, die noch vor Ort sind, erhalte ich ganz andere Antworten. Dass es eine komplette Katastrophe ist und dass niemand bereit ist, irgendetwas zu tun. Hinter dem Vorhang ist es nur ein Kampf von denen, die versuchen, neue Schlupflöcher zu schaffen, die blockieren und von den Ländern des globalen Nordens, die sich immer noch weigern, auch nur die minimalsten Klimamaßnahmen zu ergreifen, die notwendig wären.
Giordano: Hast du schon einen Blick auf den Entwurfstext geworfen, der herausgekommen ist? Hattest du schon Gelegenheit, ihn zu lesen?
Greta: Ich habe es versucht, ja. Nicht den ganzen Text, aber ich habe Teile davon gelesen, aber ich werde versuchen, ihn so schnell wie möglich zu lesen, also den gesamten Text.
Giordano: Es ist schwer, darüber genau jetzt zu reden, denn das alles passiert ja gerade noch.
Greta: Ja, und das Ganze wird sich noch einige Male ändern.
Giordano: Ja. Eines der guten Dinge, die sich daraus ergeben, wenn wir mal auf das Positive daran schauen wollen, ist diese Vereinbarung, dass die Länder jetzt jährlich prüfen und ihre nationalen Emissionsreduktionsziele neu definieren müssen, im Gegensatz zu dem Fünfjahres-Turnus, der in Paris festgelegt wurde.
Ist das etwas, worüber du froh bist, dass es eingetreten ist?
Greta: Ich meine, natürlich ist es besser als nichts, nur dieser Teil. Aber wenn man sich das Ganze anschaut und wenn man es mit dem vergleicht, was jetzt notwendig wäre, dann ist es immer noch ein komplettes Versagen und wir können nicht glauben, dass wir die Klimakrise mit kleinen Schritten wie diesen lösen können und bloße Versprechen, dass sie ihre Ambitionen verbessern werden, werden zu nichts führen, wenn sie dem nicht Taten folgen lassen und sie diese Ambitionen und die Verpflichtungen, die sie ankündigen, tatsächlich erfüllen …
Greta über Ehrlichkeit
Giordano: Ja, das ist so ein Greta-Ding: Du sagst immer: „Ja, Worte, Worte, Worte, aber was ist mit den Taten?“ Und du bist so gut darin, es immer auf diesen Punkt zurück zu bringen.
Lass uns über Ehrlichkeit reden: Als ein Journalist dich im Vorfeld der Konferenz fragte, wie Erfolg für dich aussehen würde, sagtest du und ich zitiere dich jetzt: “Sowas wie Erfolg wäre für mich, dass die Staats- und Regierungschefs der Welt ehrlich zugeben, dass sie bei der Bewältigung der Klimakrise versagen.”
In einem Artikel hast du geschrieben, dass es immer noch Hoffnung gibt, aber Hoffnung beginnt immer mit Ehrlichkeit. Es ist eine so einfache, aber auch kraftvolle Botschaft. Kannst du uns erklären, warum du Ehrlichkeit als den ersten Schritt für wirkliche Taten bei der Bewältigung der Klimakrise ansiehst?
Greta: Wir reden immer über Lösungen für die Klimakrise, wie wir sie lösen werden, welche Schritte wir geschafft haben. Aber wie können wir überhaupt über eine Krise diskutieren, die wir ignorieren, jedenfalls der größte Teil von uns. Eine kürzlich durchgeführte Untersuchung in Schweden zeigte, dass weniger als ein Drittel unserer Gesamtemissionen tatsächlich in unseren Klimazielen betrachtet wird. Und wie können wir versuchen, die Krise zu lösen, wenn wir zwei Drittel davon ignorieren? Es ist so, als würden sie sagen: „Wie wollen wir das lösen?“ und wir sagen: „Wie wäre es, wenn wir alles zusammenrechnen und uns ehrlich machen, wo wir tatsächlich stehen, weil wir nicht in der Lage sein werden, eine Krise zu lösen, die wir nicht verstehen?“ Und wenn wir das sagen, versteht uns niemand und dann sagen sie: „Ja, aber was genau sollen wir tun?” Und wir wiederholen: “Wie wäre es, wenn wir alles zusammenrechnen und uns klar machen, wo wir eigentlich stehen, um zu verstehen, mit welcher Situation wir konfrontiert sind, um sie dann tatsächlich zu bekämpfen?“ Und immer noch versteht uns niemand. Und das ist sozusagen der Schlüssel. Wir wissen, dass die Klimakrise nicht mit diesen COPs gelöst werden wird und wenn überhaupt, dann hat diese COP bewiesen, dass egal, wie viele Aktivisten es gibt und wie groß der Druck ist, den Aktivisten von außen auf die führenden Politiker der Welt ausüben, sie werden sich nicht ändern. Solange sie es können, werden sie so weitermachen und ausschließlich versuchen, Schlupflöcher in den Systemen und Rahmenbedingungen zu schaffen.
Es ist, als ob ihr Hauptziel derzeit nicht ist, die Klimakrise zu lösen und wirklich Wege nach vorne zu finden. Ihr Hauptziel ist, immer mehr Ausreden zu finden und keine Maßnahmen zu ergreifen.
Giordano: Deine Botschaft über Ehrlichkeit war die Inspiration unseres Honest Government Ad über „Netto-Null bis 2050“, zu welchem dieser Podcast hier als Begleiter dient. Als ich dich sagen hörte, dass du dir von den Regierungen mehr Ehrlichkeit wünschst, mit ihrem Versagen mit dem Klimanotstand umzugehen, da dämmerte es mir plötzlich: „Hey, ich schreibe diese Serie mit dem Titel «Honest Government Ad». Vielleicht kann ich hier Greta helfen und mehr Menschen helfen zu verstehen, was sie meint?” Also warst du die wirkliche Inspiration für dieses Video. Du hast dieses Video geteilt und Leute ermutigt, es anzuschauen. Denkst du, dieses Video hilft die Lage, in der wir sind, zu erklären? Und du darfst ehrlich sein. Ich weiß, dass du ein Fan von Ehrlichkeit bist.
Greta: Ja, das tut es wirklich! Diese Dinge sind entscheidend, sowohl um die Situation verstehen, aber auch das Verständnis zu entwickeln, Druck auf die Leute auszuüben, die an der Macht sind. Und dieses Video war wirklich eines der besten Dinge, die ich je gesehen habe. Es hat sogar Klassenkameraden, die normalerweise nie mit mir über diese Dinge reden, dazu gebracht zu sagen: „Oh ich habe dieses Video gesehen, das war wirklich großartig!“ So war es, es hat wirklich viel vom üblichen Grundrauschen durchbrochen.
Giordano: Das ist großartig und natürlich ist einer der Gründe, dass es so ein durchschlagender Erfolg war, dass du einen Cameo-Auftritt darin hattest, der alle umgehauen hat, weil du einfach wie aus dem Nichts aufgetaucht bist mit: „Hey ich bin Greta“, und du hast die „autorisiert durch“-Botschaft am Ende gesprochen. Also vielen Dank, dass du daran teilgenommen hast. Ich nehme an, dass du die Videos schon gesehen hast, es sei denn, du sagst einfach ja zu zufälligen Cameo-Anfragen.
Greta: Ja!
Giordano: Wann bist du auf «Honest Government Ads» gestoßen, ist das eine neue Sache oder…?
Greta: Ja, ich meine, ihr seid eine ziemlich große Sache in der Klima-Aktiven-Bewegung. Wir schauen uns diese Folgen immer an, wenn es eine neue gibt. Wir haben zum Beispiel Telegram-Kanäle mit Leuten, die wir kennen und wir teilen sie immer dort. Also, es ist eine Sache, die wir uns wirklich gerne anschauen, weil es so ehrlich ist und es ist wirklich urkomisch.
Giordano: Großartig, das werde ich gleich mal in unsere Biografie auf unserer Webseite aufnehmen. Okay, jetzt lassen wir uns mal über diese Ehrlichkeit sprechen. Ich möchte dir eine Frage stellen. Du verbringst offensichtlich sehr viel Zeit damit, über die Klimakrise nachzudenken und darüber, wie wir das Problem, dem wir entgegensehen, definieren können und ich frage mich, ob sich deine Ansichten im Laufe der Jahre geändert haben? Im Jahr 2019, als du auf dem UN-Klimagipfel gesprochen hast, hast du eine historische Rede gehalten:
Greta (Mitschnitt vom UN-Klimagipfel 2019): „Wenn Sie die Situation wirklich verstanden hätten und weiter darin versagen würden zu handeln, dann wären Sie böse. Und das weigere ich mich zu glauben.”
Giordano: Jetzt spulen wir zwei Jahre nach vorne: Du bist in den Straßen von Glasgow vor Tausenden von Menschen und Du sagst zu der Menge:
Greta (Mitschnitt einer Rede in Glasgow): „Viele fangen an sich zu fragen, was noch nötig ist, damit die Menschen an der Macht aufwachen. Aber lasst uns Klartext reden: Sie sind bereits wach und sie wissen ganz genau, was sie tun!“
Giordano: Also, hast du deine Meinung geändert, seit du die Rede 2019 gehalten hast? Und wenn ja: was hat dich dazu veranlasst?
Greta: Ich denke ein Stück weit. Aber bei der Rede, die ich 2019 gehalten hatte, wollte ich denen gegenüber auch naiv scheinen, damit sie wirklich in sich gehen und sich dessen bewusst werden, was sie tun. Denn ich sage ja nicht, dass sie böse sind. Ich sage: wenn man diese Dinge tut, bedeutet dies, dass man böse ist. Was dazu führt, dass sie selbst diese Schlussfolgerung ziehen müssen. Natürlich hatte ich schon damals meine Vermutungen, dass sie wussten, was sie taten. Aber nachdem ich mich jahrelang ständig mit Menschen getroffen hatte, mit ihnen gesprochen hatte, ahnte oder wusste ich wirklich, sie wissen, was die Konsequenzen ihres Handelns sind. Auch deshalb, weil sie diese Zeit genauso genutzt haben, um mit Menschen zu sprechen, um zu verstehen, was sie tun und was die Folgen ihrer Taten sind.
Giordano: Weißt du, in Interviews – und ich habe viele deiner Interviews gesehen – fragen dich Leute so oft, was du über dies oder jenes denkst, so wie ich das hier gerade auch tue und du reagierst dann oft damit, die Aufmerksamkeit von dir selbst weg zu lenken und alle daran zu erinnern, dass sie darauf hören sollen, was die Klimawissenschaftler zu sagen haben: „Hört auf die Wissenschaft!“ Wenn das passiert, dann frage ich mich, ob du manchmal schreien willst. Fühlt es sich so an, als wenn die Welt verrückt geworden wäre, wenn Journalisten und Prominente einen Teenager fragen, was er oder sie über die existenzielle Notlage denkt, die alles Leben auf dem Planeten bedroht, anstatt Klimawissenschaftler zu befragen?
Greta: Ich denke, dass es sehr, sehr absurd ist, dass diese Frage einem Teenager gestellt wird. Auch vielen anderen Teenagern wurde die gleiche Frage gestellt. Wir tun dies, weil wir nicht alle Antworten haben, abgesehen davon, dass wir die Krise wie eine Krise behandeln und die Zahlen ehrlich zählen sollten. Ich meine, wir weisen auf Lösungen hin, aber wir können nicht erwarten, dass Teenager diese Fragen beantworten können. Schon die Tatsache, dass diese Frage uns überhaupt gestellt wird, ist absurd. Aber nicht so absurd wie die Tatsache, dass diese Frage überhaupt irgendjemandem gestellt wird: „Wie sollen wir diese Krise lösen?” Wenn es eine Antwort auf diese Frage gäbe, wären wir nicht in diesem Schlamassel. Wenn wir eine existenzielle Notlage einfach so lösen könnten, dann wäre es keine Krise, sondern nur ein Problem. Also denke ich, dass dies auf so vielen Ebenen absurd ist.
Giordano: Weißt du, du hast diese Rolle übernommen, die Stimmen der Klimawissenschaftler zu verstärken. Und du hast sie wirklich kraftvoll und effektiv verstärkt. Und um das zu tun, musst du dich auch mit der Wissenschaft auseinandersetzen. Könntest du einige deiner Hauptquellen nennen, um die Klimawissenschaft besser zu verstehen? Irgendwelche Empfehlungen für andere, die das Thema besser verstehen wollen?
Greta: Das hängt davon ab. Es ist wie ein Kaninchenbau. Ich würde mir wünschen, es gäbe eine einzige Quelle, wo man alles nachlesen könnte. Aber du musst dir die Informationen selbst zusammensuchen. Ich denke, wir bräuchten wirklich eine Website oder ein Buch oder einen Film oder eine Quelle, wo man alle Dinge finden kann, die man braucht, um die Gesamtsituation zu verstehen. Aber ich verlasse mich normalerweise auf die solidesten wissenschaftlichen Quellen wie das IPCC, denn obwohl dessen Statements manchmal sehr moderat ausfallen, ist es immer noch der goldene Standard. Außerdem spreche ich mit Wissenschaftlern, ich folge vielen Wissenschaftlern in den sozialen Medien, um zu sehen, was sie sagen, wie sie verschiedene Phänomene und Ankündigungen kommentieren und so weiter. Aber die Informationen sind sehr breit verteilt, was einerseits gut ist, weil man seine Informationen aus verschiedenen Quellen erhält, andererseits aber auch etwas Zeit erfordert, um diese Quellen zu finden und zu prüfen, ob sie glaubwürdig sind oder nicht und so weiter.
Giordano: Klar, also sich breit einlesen. Wo wir gerade beim Thema Klimawissenschaftler sind: Ich frage mich oft, warum wir bei Klimademos nicht die Tradition haben, immer mit einem Klimawissenschaftler als ersten Redner zu beginnen oder zumindest einen Klimawissenschaftler zu Wort kommen zu lassen. Das ist eine Stimme, die oft fehlt. Und ich denke, die Arbeit, die du machst und sicherlich auch das, was wir mit «Honest Government Ads» versuchen, ist, die Klimakompetenz der Menschen zu verbessern, damit sie verstehen, was es bedeutet, wenn sie Worte wie Kohlenstoffabscheidung und ‑speicherung oder Netto-Null bis 2050 hören. In diesem Sinne leisten wir ähnliche Arbeit in dieser Hinsicht, aber letztlich verweisen wir immer wieder auf die Wissenschaft. Wie du weißt, sind wir in Australien zu Hause, und unsere Regierung ist einer der größten Misthaufen, wenn es darum geht, fossile Brennstoffe auszubauen und Tonnen von sinnlosem bla, bla, bla auszustoßen.
Greta: Ja!
Giordano: Verfolgst Du, was hier in Australien klimatechnisch passiert und wenn ja, was hast du den Australiern zu sagen, besonders den jungen Australiern, von denen du viele immens inspiriert hast, selbst Klimaaktivisten zu werden.
Greta: Natürlich verfolge ich die Situation an so vielen Orten wie möglich und ich habe auch australische Freunde in der Klimabewegung, die mir Geschichten erzählen, die ich manchmal kaum glauben kann.
Giordano: Da geht es uns auch nicht anders.
Greta: Ja wirklich, wenn es nicht so schrecklich wäre, wäre es urkomisch. aber ich denke, man muss auch in der Lage sein, darüber zu lachen, solange man alles dagegen tut, was man kann, und man muss in der Lage sein, den Humor darin zu sehe.
Giordano: Absolut, und du sagtest, du hast Freunde hier in Australien, sind das auch junge Klimaaktivisten in der Klimabewegung?
Greta: Ja!
Giordano: Das ist großartig, fantastisch! Willst Du jemandem Hallo sagen?
Greta: Ja, hallo Louis!
Aktivismus ist ein gesunder Weg, um Klimaangst zu reduzieren
Giordano: Großartig, okay, nun zu einer etwas weniger lustigen Frage. Viele Kinder im Alter meiner Kinder, das ist das Alter, in dem du dir selbst der Klimakrise bewusst wurdest, was dich in eine tiefe Depression stürzte, viele Kinder haben jetzt Angst vor der Klimakrise. Hast du irgendetwas für sie, wenn sie zufällig zuhören? Ich meine, hast du ihnen etwas zu sagen? Oder ihren Eltern? Wie können Eltern auf Kinder reagieren, die so reagieren?
Greta: Ich habe das auch erlebt, also weiß ich in etwa, wie sich das anfühlt. Ich denke, was mich da rausgeholt hat, war, dass die Leute um mich herum angefangen haben, mir zuzuhören, was ich zu sagen hatte, und meinen Sorgen zu lauschen. Für eine lange Zeit fühlte es sich einfach so an, als ob jeder es einfach ignorieren würde. Sie sagten: „mach’ dir keine Sorgen, sie werden das lösen, sie kümmern sich darum“. Das hat mich nur noch mehr beunruhigt, weil es bedeutete, dass sie nicht verstanden haben, dass die Menschen an der Macht uns im Stich ließen und dass die Leute so wenig Wissen über die Probleme hatten, mit denen wir konfrontiert waren. Also denke ich, wenn Du ein Elternteil bist: „Hör Deinem Kind zu, wenn es darüber spricht!” „Nimm Deine Kinder ernst, wenn sie darüber sprechen, denn das hier ist nicht nur etwas, das wir uns ausdenken! Kein Hirngespinst, nicht etwas, das Kinder übertreiben, sondern das ist der wissenschaftliche Konsens, der uns sagt, dass dies passiert. Und wenn Du die Kinder ignorierst, dann bist Du selbst eine der Ursachen für die Sorgen Deines Kindes, leider.” Also wäre das mein Rat!
Und wenn du dich selbst so fühlst: Was mir geholfen hat, war, dass die Leute um mich herum mir zugehört haben. Aber auch, dass ich angefangen habe, Dinge zu tun. Es fing mit ganz kleinen Dingen an, wie z.B., das Licht auszuschalten, wenn ich nicht im Zimmer war und den Fleischkonsum zu reduzieren und so weiter. Und dann wurde es mehr und mehr, und dann wurde ich eine Klimaaktivistin. Selbst handeln ist immer die beste Medizin gegen diese Art von Dingen, das bloße Gefühl etwas zu tun, dass du ein Teil von etwas Größerem bist und dass das, was du tust, tatsächlich einen Einfluss hat.
Giordano: Das sind wirklich wichtige Worte, und ich muss sagen, das ist auch tatsächlich der Grund, warum wir tun, was wir tun. Ich meine, es ist zum Teil um zu helfen, die Probleme zu lösen, aber es ist fast genauso sehr, um uns selbst bei Verstand zu halten. Einfach um etwas zu tun, denn wenn man nichts macht, dann… Nein, wie du sagtest, es ist die Medizin.
Hoffnung ist in uns allen
Giordano: Zu einem ähnlichen Thema: Ich wollte dich zu den unterschiedlichen Strategien fragen, mit der Klimakrise umzugehen. Bevor du aufgetaucht bist, war die akzeptierte Strategie des Klima-Aktivismus, sich auf die Hoffnung zu konzentrieren und nicht zu pessimistisch zu sein. Und die Leute sagten, sei nicht zu negativ, weil Studien gezeigt haben, dass diese Art von Nachrichten die Leute abschrecken kann. Ich persönlich habe das nie verstanden, nicht einmal als Teenager. Für mich ist es viel beruhigender, mit Realität umzugehen und sie wahrzunehmen, wie sie ist, denn dann würden wir sicherlich versuchen etwas daran zu ändern. Aber dann kamst du daher und hast diese Mentalität verändert, indem du gezeigt hast, dass Wahrheit und Ehrlichkeit die Menschen nicht abschrecken, sondern stattdessen Millionen auf die Straße bringen. Und es ist einnehmend und inspirierend. Warum glaubst du, dass diese Botschaft der Ehrlichkeit über die Realität, mit der wir konfrontiert sind, so viel Anklang findet bei Menschen überall auf der Erde?
Greta: Ich weiß nicht… jeder sagt, wir brauchen Hoffnung und alle sagen immer wieder, wir brauchen Hoffnung, wir brauchen Hoffnung um zu handeln. Aber ich denke, dass wir Hoffnung neu definieren müssen. Und wie Du sagst: ich schöpfe keine Hoffnung daraus, wenn man mir sagt, dass alles gut wird, dass wir auf dem richtigen Weg sind, dass wir Fortschritte machen, wenn das tatsächlich so nicht stimmt. Ich finde, Hoffnung ist, ehrlich zu sein, Hoffnung ist, zu handeln und sich der Realität zu stellen, so wie sie ist, auch wenn es manchmal sehr unangenehm und furchteinflößend ist. Der einzige Weg vorwärts, mit der Situation umzugehen, ist, sie zu verstehen, ehrlich darüber zu sein und uns ihr stellen, wie sie ist. Denn nur dann werden wir in der Lage sein etwas daran zu ändern
Giordano: Aber die Tatsache, dass es so viel Anklang gefunden hat, zeigt das dir, dass viele Menschen ebenso empfinden? Dass man auf so eine Art Zündfunken gewartet hat und die Leute dann plötzlich sagen: „Oh, danke verdammt, jetzt können wir wirklich ehrlich darüber reden“.
Greta: Ja, das denke ich oder hoffe es zumindest.
Giordano: Das wird eines Tages von Anthropologen zu entscheiden sein.
Greta: Ja, aber ich denke, wenn es so ist, dass ein Kind mitten auf der Straße steht und Autos mit voller Geschwindigkeit auf das Kind zurasen, dann schaut man nicht weg, weil es zu unangenehm ist, sondern dann rennt man hin und rettet das Kind. Ich denke, das ist die Art von Herausforderung, vor der wir jetzt stehen. Natürlich möchte man am liebsten abseits stehen und zusehen, weil das bequemer ist, aber wie Menschen sind…, wenn es einen Notfall gibt, dann können wir reagieren. Wir können eine Notfallreaktion zeigen. Schau’ Dir an, wie wir mit der Corona-Pandemie umgegangen sind. Ich meine, während der Corona-Pandemie haben wir ja auch nicht gesagt: „Oh nein, das ist uns zu unbequem“. Wir haben uns zusammengerissen und gehandelt. Das, was uns zum Handeln veranlasst hat, war nicht die Tatsache, dass wir uns gegenseitig inspiriert haben und gesagt haben, oh, es ist so gemütlich, drinnen zu bleiben und keine Leute zu treffen, oder hoffnungsvolle Geschichten über Leute, die das Coronavirus hatten und überlebt haben, sondern, was uns zum Handeln veranlasst hat, war eher die Tatsache, dass wir handeln mussten. Es war eine Art Angst davor, was passieren würde, wenn wir nicht reagieren würden, weil wir dann persönlich betroffen wären, sei es, dass wir selbst getroffen worden wären, unseren Job verlieren würden oder dass jemand, den wir lieben, krank werden oder sogar sterben würde. Ich meine, diese Ängste waren sehr berechtigt, sie brachten uns zum Handeln. Und ich denke, das zeigt, dass es nicht nur inspirierende Reden sein können, die uns während der Klimakrise zum Handeln bringen. Sondern wir müssen auch reagieren, müssen erkennen, was passieren wird, wenn wir nichts tun.
Über Demokratie, Gerechtigkeit und indigene Kulturen
Giordano: Neben der Ehrlichkeit, einer der Hauptbotschaften, über die Du gesprochen hast und auf die Du dich fokussierst, ist es die Demokratie. In einem Interview sagtest Du kürzlich, Demokratie sei die einzige Lösung für die Klimakrise. Kannst Du ein wenig über Demokratie sprechen und warum Du sie eng mit praktiziertem Klimaschutz verknüpft siehst?
Greta: Ja, ich meine, wir können sehen, was uns dazu gebracht hat, uns zu bewegen – auch wenn es bei weitem nicht genug ist – wir haben doch Fortschritte gemacht, verglichen mit vor ein paar Jahren. Und das ist erreicht worden, weil es große Demonstrationen gegeben hat. Die Menschen machen Druck, sie benutzen ihre Macht als demokratische Gesellschaft mit dem Ziel, Politiker anzutreiben. Und wenn wir das nicht gemacht hätten, dann wüsste ich nicht, wo wir jetzt wären. Also das zeigt, dass dies der einzige Weg vorwärts ist. Wir wissen, dass, solange die Leute an der Macht damit durchkommen, nichts zu tun, sie weiterhin das machen werden, was sie immer schon gemacht haben: die Infrastruktur für fossile Brennstoffe ausbauen, die fossilen Brennstoffe weiter subventionieren und so weiter. Aber wenn wir unsere Macht, die wir in Demokratien haben, nutzen und wirklich auf Veränderungen drängen, dann kann sich das ändern. Denn in demokratischen Gesellschaften haben die Menschen die Macht und das finde ich extrem hoffnungsvoll. Wenn wir diese Möglichkeit nicht hätten, diese Chance, ich weiß nicht, was wir machen würden. Ich weiß nicht, wo wir dann wären. Und wir sehen, dass in Ländern, in denen die Menschen diese Rechte nicht haben, wie zum Beispiel in China, Aktivisten mit vielen Schwierigkeiten konfrontiert sind. Und sie haben nicht diese großen Bewegungen, die in die richtige Richtung drängen können. Also ist das wirklich der einzige Weg nach vorne. Und es scheint, dass einige Leute das gegen die Klimaaktivisten verwenden. Sie sagen, dass wir keine Demokratie wollen, dass wir eine Art Öko-Diktatur wollen, was nicht falscher sein könnte. Aber das liegt daran, dass sie keine Argumente mehr haben. Also erfinden sie einfach Dinge über uns, obwohl das das genaue Gegenteil von dem ist, was wir sagen.
Giordano: Es gibt unglaublich viele Dinge, die über dich erfunden wurden. Ich möchte das nicht noch verstärken, also werden wir das nicht vertiefen. Aber es ist verrückt.
Eine andere Sache, über die du oft gesprochen hast, ist Gerechtigkeit, wenn du über die Klimakrise sprichst. Du hast das Konzept der Gerechtigkeit erwähnt und ich habe mich gefragt, ob du den Zuhörern erklären könntest, was du mit Gerechtigkeit im Zusammenhang mit Klimaschutz-Aktivitäten meinst.
Greta: Wir müssen uns vor Augen halten, dass die Klimakrise eine sich beschleunigende Krise ist. Kohlenstoffe, die wir in die Atmosphäre emittieren, bleiben sehr, sehr lange dort oben. Daher geht es in der Klimakrise nicht nur darum, was wir jetzt oder in Zukunft ausstoßen, damit wir eine Chance von 66 % haben, ungefähr unter 1,5 Grad Temperaturerhöhung zu bleiben. Etwa 90 % dieses CO₂-Budgets sind bereits aufgebraucht. Das bedeutet, dass historische Emissionen fast 90 % der Klimakrise ausmachen; also neun Zehntel. Und wir können diese Tatsache doch nicht einfach ignorieren. Wir dürfen doch nicht ignorieren, dass wir uns mitten in der Klimakrise befinden. Diese begann, als wir anfingen, andere Menschen auszubeuten und das Land und die Ressourcen anderer Menschen zu stehlen. Und die Klimakrise existiert nicht nur in einem Vakuum. Daher müssen Gerechtigkeit und Klimagerechtigkeit im Mittelpunkt jeder Lösung stehen. Denn wenn wir die verbleibenden CO₂ ‑Budgets verteilen wollen, müssen wir dies so tun, dass Staaten, die mehr emittiert haben, unweigerlich einen kleineren Teil dieses verbleibenden CO₂ ‑Budgets bekommen dürfen. Und Staaten, die weniger emittiert haben und von den Folgen des Klimawandels am härtesten getroffen werden, werden einen sehr großen Teil dieses CO₂-Budgets brauchen, um sich sowohl an die Klimakrise anzupassen als auch den Lebensstandard durch den Aufbau von Infrastrukturen, die wir im sogenannten globalen Norden schon gebaut haben, indem wir zu einem großen Teil fossile Brennstoffe verbrannt haben.
Insofern ist unser CO₂-Budgetanteil schon berücksichtigt. Doch einige Staaten müssen das noch in Zukunft machen. Natürlich müssen wir sicherstellen, dass diese Staaten es auf die richtige Art und Weise tun können, auf nachhaltige Weise. Aber es muss trotzdem getan werden. Diese Staaten müssen in der Lage sein, ihren Lebensstandard zu erhöhen. Denn wer bin ich, den Leuten in den am meisten betroffenen Gebieten vorzuschreiben, dass sie ihren Lebensstandard nicht erhöhen können, sie nicht so leben können wie ich, weil wir eine Klimakrise haben, die mein Teil der Welt verursacht hat und die sie so betrifft.
Und natürlich die große Frage von Klimafinanzierung, Verlusten und Schäden. Dafür wurde eine Zahlung von jährlichen 100 Milliarden US-Dollar versprochen an die Länder, die am stärksten betroffen sind und diejenigen, die am wenigsten verursacht haben. Aber dieses Geld ist immer noch nicht geflossen und das ist ein großes Thema während der COP, was gut ist. Es braucht mehr Raum, da bin ich sicher. Ich kann jetzt nicht alle Aspekte nennen, aber Klimagerechtigkeit ist das Herzstück des Pariser Abkommens und das ist auch ein wichtiger Grund, warum die COP-Einigung gerade in Gefahr ist.
Denn wenn Länder wie mein Schweden oder dein Australien, wenn wir diese Dinge nicht einmal tun können; wir, die die größten, die besten Möglichkeiten dazu haben: wie können wir erwarten, dass die Menschen und Länder in den am stärksten betroffenen Gebieten uns ernst nehmen und ihre Verpflichtungen aus dem Pariser Abkommen erfüllen? Also gibt es hier wirklich eine große Lücke. Und es zeigt schlicht, wenn wir den Aspekt der Gerechtigkeit ignorieren, werden Menschen wütend. Vor allem diejenigen, die schon heute betroffen sind, werden wütend und dann ist alles in Gefahr. Ja, alles ist in Gefahr, das zeigt einfach die Bedeutung der Zusammenarbeit.
Giordano: Absolut! Ich meine, es macht alles so kompliziert, aber gleichzeitig ist das der richtige Weg, es anzugehen. Du hast den Kolonialismus erwähnt, während du darüber gesprochen hast, und ich habe bemerkt, dass du oft geholfen hast, die Stimmen der indigenen Völker in deinem Aktivismus zu verstärken, als du in Nordamerika warst. Du hast Standing Rock besucht und ich habe mich gefragt, ob du ein wenig darüber sprechen könntest, wie du gelernt hast.
Greta: Ich denke, das war etwas, das ich unterwegs gelernt habe, weil darüber nicht gesprochen wird, weil es in den Mainstream-Medien nicht thematisiert wird oder die Leute nicht wirklich auf einer allgemeinen Ebene darüber diskutieren. Nachdem ich also mit vielen Menschen gesprochen habe als Teil der Klimabewegung, wurde mir klar, wie wichtig es ist, dass die indigene Bevölkerung eine Stimme hat. Das zeigt, wie sehr wir es versäumt haben zu kommunizieren, dass die indigenen Völker an vorderster Front des Klimanotstands stehen. Dass sie diejenigen sind, die schon jetzt am härtesten und als erste betroffen sind, und dass zum Beispiel Pipelines auf indigenem Land gebaut werden. Aber auch, dass sie die Kämpfe gegen den Klimanotstand anführen. Nur als Beispiel: Die indigenen Völker im Amazonas, die den Regenwald verteidigen. Doch auch in jedem anderen Teil der Welt verteidigen indigene Völker ihr Land. Nicht nur um ihrer selbst willen, sondern um jedermanns willen, um des ganzen Planeten willen! Und es wird nicht kommuniziert, dass indigene Völker diejenigen sind, die den Kampf gegen das Klima anführen. Aber auch, wenn wir Lösungen für die Klimakrise finden, die indigene Völker nicht mit einbeziehen, wenn wir indigenes Wissen nicht mit einbeziehen, dann ist das nicht wirklich eine Lösung. Denn indigene Völker bewahren etwa 80% der verbleibenden Artenvielfalt. Also zeigt das, dass indigenes Wissen entscheidend ist, um den Planeten zu bewahren und die gegenwärtigen und zukünftigen Lebensbedingungen zu schützen.
Giordano: Greta, du bist bei weitem eine der bekanntesten Klimaschützerinnen der Welt, aber es gibt auch andere junge Klimaaktivisten auf der ganzen Welt, auf allen Kontinenten. Gibt es einige, die du besonders für die Arbeit, die ihr macht, erwähnen möchtest, einige, die dich besonders inspirieren?
Greta: Natürlich, aber ich würde gerne jeden einzelnen erwähnen. Es fühlt sich so an, als ob ich, wenn ich einige erwähnen würde, nicht alle erwähnen würde …
Giordano: Ja, das ist eine unfaire Frage, tut mir leid …
Greta: Ja, aber es ist so: die Gemeinschaft, die wir haben, ist so stark und es gibt so viele Menschen, die anerkannt werden müssen, so viele Menschen, deren Stimmen gestärkt werden müssen, so viele Menschen, die eine viel größere Plattform brauchen, weil sie so viel wichtige Dinge zu sagen haben. Vor allem Menschen aus den am stärksten betroffenen Gebieten, sogenannte MAPA: am stärksten betroffene Menschen in Gebieten der indigenen Völker, über die wir gesprochen haben, weil sie diejenigen sind, die wirklich ein Mikrofon brauchen. Und ich denke, es ist Zeit für die Aktivisten, in den am wenigsten betroffenen Gebieten LAPA (Least Affected People in Areas), das Mikrofon zu übergeben an die am meisten betroffenen Menschen in den Gebieten MAPA (Most Affected People in Areas).
Giordano: Habt ihr alle so etwas wie eine Signal-Chat-Gruppe, in der ihr zusammen kommuniziert, seid ihr in Kontakt und habt ihr eine Art Gemeinschaft, zu der ihr gehört?
Greta: Ja, definitiv, wir haben täglich Kontakte durch viele Chats, viele Arbeitsgruppen-Chats, aber auch viele Spam-Chats, in denen wir buchstäblich Unsinn schreiben, was wichtig ist, um gesund zu bleiben, schätze ich.
Giordano: Ja, das ist großartig! Ich werde dich gehen lassen, weil ich weiß, dass du noch zu tun hast, und ich wollte dich nur noch nach dem Gerichtsverfahren fragen. Du und 13 andere junge Leute aus der ganzen Welt reichen eine Klage bei der UNO ein, um darauf zu drängen, einen Notfall der Stufe drei zu erklären. Stufe drei ist die höchste Stufe des Notfalls, die die UNO für die Covid Pandemie ausgerufen hat. Kannst du ein wenig über diesen Fall sprechen und was er für dich bedeutet?
Greta: Zunächst einmal sind es vor allem andere Leute, die darauf gedrängt haben, und ich bin nur eine von vielen. Aber es ist eine Art, die Aufmerksamkeit auf die Tatsache zu lenken, dass dies tatsächlich ein Notfall ist. Und wenn wir es nicht als Notfall behandeln, werden wir nicht in der Lage sein, etwas zu erreichen. Also ist es wichtig, die Aufmerksamkeit auf diese Tatsache zu lenken und auch auf die Heuchelei. Dass wir sagen, es ist ein Notfall, aber wir handeln nicht danach.
Giordano: Greta, nur aus Neugier, gibt es eine Frage, die du dir wünschst, in Interviews gefragt zu werden, die dir aber nie gestellt wird?
Greta: Ich weiß nicht. Okay, ich bin sicher, es gibt viele.
Giordano: Aber gibt es etwas, von dem du sagst, warum fragst du mich nicht danach und niemand fragt danach?
Greta: Nein, ich weiß nicht, ich bin sicher, es gibt viele, aber mir fällt jetzt nichts ein.
Giordano: Du wirst wahrscheinlich alles gefragt. Greta, ich danke dir vielmals dafür, dass du bei uns im Juice Media Podcast mitmachst. Ich weiß, du hast eine Menge zu tun zwischen „In-den-Hintern-Treten“ und all deiner schulischen Arbeit nebenbei. Du bist jetzt im letzten Schuljahr, ist das korrekt?
Greta: Nein, ich belege das zweite Jahr der High-School, ich habe noch ein weiteres Jahr danach.
Giordano: Okay, ich hab’s verstanden und …
Greta: Ich hab’ noch etwas Zeit zu entscheiden, was ich danach machen will.
Giordano: Nun, hast du darüber nachgedacht oder ist da noch etwas?
Greta: Also, ja, ja, aber ich weiß es jetzt nicht. Ich bin gerade nicht orientiert. (lacht)
Giordano: Was völlig normal klingt, denke ich. Uns allen ging es schon mal so. Also, genieße dieses Gefühl. Noch einmal, Greta, danke für alles, was du tust, im Namen von mir und unserem Team, Lucie, unseren Schauspielerinnen Zoë und Ellen und unseren zwei kleinen Jungs Juno und Luca, für die du so viel tust. Alle unsere Unterstützer: innen möchten dir sagen: Danke, wir lieben dich! Danke, dass du dafür sorgst, dass sich Politiker fair und offen verhalten. Wir stehen voll und ganz hinter dir.
Greta: Danke! Danke dafür, dass ich dabei sein durfte. Und ich möchte auch Grüße von allen in der Klimabewegung schicken, vor allem von der Elchkult-Initiative in Schweden.
Giordano: Also vielen Dank, Greta, du auch!
[Applaus]
Nun, das bringt uns zum Ende dieser Folge des Juice Media Podcasts. Ich hoffe, es hat euch gefallen, Greta sprechen zu hören. Es ist seltsam, aber ich bin mir sicher, einige von euch spüren es auch: es ist, als ob wir uns schon immer gekannt hätten. Vielleicht, weil sie eine solche Präsenz und Inspiration in unserem Leben in den letzten drei Jahren gewesen ist. Sicherlich für uns hier bei The Juice Media und sicher auch für viele von euch und definitiv für eure Kinder im Teenageralter.
Wie ich am Anfang sagte, habe ich diese «Honest Government Ad» geschrieben, um Gretas Aufruf an Regierungen zu unterstützen, hinsichtlich der Klimakrise ehrlich zu sein. Aber ich habe es auch gemacht, weil ich vermutet habe, dass die Staats- und Regierungschefs ihrer Forderung nicht nachkommen werden. Und so wollte ich auf einer persönlichen Ebene einfach etwas tun, um sie glücklich zu machen. Ich weiß, dass das albern ist: schließlich ist es nur ein blödes Video. Aber ich denke auch, dass es eine gewisse Kraft hat, die Welt vorwegzunehmen, die wir sehen wollen. Denn wenn wir den Menschen helfen können, sich vorzustellen, wie Ehrlichkeit aussieht, können wir ihnen helfen, den Unterschied zwischen diesen Dingen und dem Bla, Bla, Bla, wie Greta es nennt, zu erkennen.
Danke an Ellen, die mir geholfen hat, den Juice Media Podcast zu bearbeiten. Und wie immer danke an unsere Unterstützer: innen, die den Podcast und «The Honest Government Ads» möglich machen, vor allem an unsere Patreon Producer, die uns über unsere höchste Stufe von AUD 100 pro Monat unterstützen. Danke!
Wenn du unsere Arbeit schätzt, unterstütze uns bitte auf Patreon. Und wenn euch der Podcast gefallen hat, gebt uns bitte eine nette Bewertung auf iTunes und empfehlt ihn euren Freunden, eurer Familie und euren Haustieren, damit wir das Wort verbreiten können.
Ihr habt den Juice Media Podcast mit Giordano gehört. Wir sehen uns sehr bald in unserem nächsten «Honest Government Ad». Bis dahin: passt auf euch auf!
https://energiewende-2030.de/wp-content/uploads/2021/11/Screenshot-2021-11-25-092201.png536957Jürgen Voskuhlhttps://energiewende-2030.de/wp-content/uploads/2021/12/RT-EE_LinksGross_Hires-300x96.pngJürgen Voskuhl2021-11-25 09:28:262021-12-12 10:45:52Greta Thunberg zur COP26 und Klimagerechtigkeit
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