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CCS enttarnt: Warum CO₂-Speicherung keine Lösung ist – sondern ein Risiko

Koh­len­di­oxid ein­fan­gen, spei­chern oder gar als Roh­stoff nut­zen – Tech­no­lo­gien wie CCS und CCU wer­den zuneh­mend als Bau­stein im Kampf gegen die Kli­ma­kri­se dis­ku­tiert und von der Poli­tik geför­dert. Doch kön­nen sie die­ses Ver­spre­chen wirk­lich halten?

Webinar: "CCS enttarnt: Warum CO₂-Speicherung keine Lösung ist – sondern ein Risiko"

Koh­len­di­oxid-Emis­sio­nen sind haupt­ver­ant­wort­lich für die Kli­ma­kri­se. Wie schön wäre es, wenn wir sie ein­fach zum Ver­schwin­den brin­gen könn­ten! Die Erfül­lung die­ses Traums ver­spricht ein Kon­zept namens CCS. Koh­len­di­oxid soll aus der Atmo­sphä­re oder aus Abgas­strö­men her­aus­ge­fil­tert und dann in End­la­gern ver­wahrt wer­den. Oder, noch bes­ser: Es soll als Roh­stoff in der Che­mie­in­dus­trie Ver­wen­dung fin­den — in der­sel­ben Che­mie­in­dus­trie, die es bis­her noch in gro­ßen Men­gen als Abfall pro­du­ziert. Das nennt sich dann CCU.

Spä­tes­tens mit dem Koali­ti­ons­ver­trag ist klar, dass die neue Bun­des­re­gie­rung sich von die­sen Ideen viel ver­spricht. Gan­ze Indus­trie­zwei­ge sol­len mit Hil­fe von CCS und CCU “kli­ma­neu­tral” wer­den, also nicht mehr CO2 in die Luft ent­las­sen, als sie an ande­rer Stel­le wie­der ein­fan­gen. Kann das funk­tio­nie­ren? So viel wol­len wir an die­ser Stel­le spoi­lern: Nein.

Sei­en Sie dabei am Mon­tag, den 12. Mai 2025, um 18:00 Uhr, wenn unse­re Expert*innen Dr. Bern­hard Weß­ling und Kers­tin Mey­er ihre Ana­ly­sen zu Ther­mo­dy­na­mik, Nach­hal­tig­keit und poli­ti­scher Schön­rech­nung von CCS/CCU in dem von Power­Shift orga­ni­sier­ten Web­i­nar prä­sen­tie­ren und zur Dis­kus­si­on stellen.

Dr. Bern­hard Weß­ling hat sich die Sache ganz grund­sätz­lich ange­schaut, und zwar auf der Ebe­ne der Ther­mo­dy­na­mik. Was bedeu­tet es eigent­lich, wenn es heißt, CCS und CCU benö­ti­gen viel Ener­gie? Was geschieht, wenn Koh­len­di­oxid erst erzeugt und dann wie­der ein­ge­fan­gen wird? Kann es einen “nach­hal­ti­gen” tech­ni­schen Koh­len­stoff­kreis­lauf über­haupt geben? Und was bedeu­tet „Nach­hal­tig­keit“ eigent­lich genau, wie kön­nen wir sie objek­tiv beur­tei­len bzw. sogar mes­sen?
In die­sem Web­i­nar stellt er sei­ne Erkennt­nis­se vor und zur Dis­kus­si­on. Das Ergeb­nis sei­ner Ana­ly­se: CCS, DAC, CCU sind alles ande­re als nach­hal­tig, sie wer­den mas­si­ve Kol­la­te­ral­schä­den in der Umwelt verursachen.

Die gro­ße Fra­ge, die danach bleibt: Wie kann es sein, dass die­se Tech­nik den­noch als Opti­on für den Kli­ma­schutz gilt? Kers­tin Mey­er schaut mit uns in aktu­el­le und geplan­te Regel­wer­ke und erklärt, wie CCS (und CCU) auf dem Papier sys­te­ma­tisch schön­ge­rech­net wer­den und war­um auch hypo­the­ti­sches CCS gefähr­lich für den Kli­ma­schutz ist.

Zu den Referent*innen:

  • Dr. Bern­hard Weß­ling ist Che­mi­ker, Unter­neh­mer, Natur­for­scher und Autor (zuletzt erschie­nen: “Was für ein Zufall! Zum Ursprung von Unvor­her­seh­bar­keit, Kom­ple­xi­tät, Kri­sen und Zeit”, Sprin­ger­Na­tu­re 2025)
  • Kers­tin Mey­er ist die Lei­te­rin Wirt­schaft und Finan­zen beim BUND — Bund für Umwelt und Natur­schutz Deutsch­land e.V.

Mode­ra­ti­on:

Neelke Wag­ner, Refe­ren­tin für Kli­ma- und Res­sour­cen­ge­rech­tig­keit bei Power­Shift — Ver­ein für eine öko­lo­gisch-soli­da­ri­sche Ener­gie- & Welt­wirt­schaft e.V.

CCS: Des Fossils neues Kleid

Vie­le sei­ner Vor-Wahl-Ankün­di­gun­gen hat der mög­li­che nächs­te Bun­des­kanz­ler Merz fal­len las­sen. Die Novel­lie­rung des CCS-Geset­zes, wel­che die Ampel-Regie­rung wegen Wider­stän­den aus den Rei­hen der Grü­nen und auch der SPD nicht mehr durch­brin­gen konn­te, setzt er aber ganz oben auf die Agen­da. CCS und CCU sol­len für „schwer ver­meid­ba­re Emis­sio­nen der Indus­trie und Gas­kraft­wer­ke“ zum Ein­satz kommen.

CO₂-Quellen zu Profitquellen machen

Welch eine Wider­sprüch­lich­keit schon in die­sen weni­gen Wor­ten steckt! Wenn nur „schwer ver­meid­ba­re“ Emis­sio­nen einer Ent­sor­gung per CCS zuge­führt wer­den sol­len, bedeu­tet dies im Umkehr­schluss, dass für „leicht ver­meid­ba­re“ Emis­sio­nen CCS und CCU nicht zum Ein­satz kom­men dür­fen. Aus­ge­rech­net aber die­je­ni­gen Emis­sio­nen, die am aller­leich­tes­ten und am vor­teil­haf­tes­ten zu ver­mei­den sind — näm­lich die von Gas­kraft­wer­ken, wel­che jeder­zeit durch erneu­er­ba­re Tech­no­lo­gien voll­stän­dig zu erset­zen wären — wer­den von der Ver­mei­dungs­pflicht aus­ge­nom­men und dem CCS-Sys­tem zur Ver­fü­gung gestellt. Offen­sicht­lich liegt die Prio­ri­tät nicht auf maxi­ma­ler Emis­si­ons­ver­mei­dung, son­dern dar­auf, ein mög­lichst gro­ßes Anwen­dungs­feld für CCS zu schaffen.

Die Umetikettierung: Wie EOR zu CCS wurde

So wird von Anfang an klar, dass Kli­ma­schutz gar nicht das trei­ben­de Motiv ist. Wer wis­sen will, wor­um es statt des­sen geht, wird unter ande­rem bei der Deut­schen Car­bon Manage­ment Initia­ti­ve (DCMI) fün­dig. Die­se – ein Zusam­men­schluss von Fir­men, die mit Erd­gas, Pipe­line­bau und ver­wand­ten Tätig­kei­ten zu tun haben (SEFE, OGE, Gas­unie, Uni­per und Höegh Evi) – pro­pa­giert CCU/S zwecks „Ent­wick­lung einer leis­tungs­fä­hi­gen CO₂-Wert­schöp­fungs­ket­te in Deutsch­land“. Per CCS sol­len CO₂-Quel­len zu Pro­fit­quel­len wer­den. Es geht also gera­de nicht dar­um, sich vom CO₂ zu ver­ab­schie­den, denn je mehr davon zum Ver­pres­sen anfällt, umso „leis­tungs­fä­hi­ger“ wird die „CO₂-Wert­schöp­fungs­ket­te“. Auf die fos­si­le Ener­gie­wirt­schaft lässt sich des­halb nicht ver­zich­ten: Durch Beschrän­kung auf eini­ge indus­tri­el­le CO₂-Quel­len wür­de die Errich­tung einer CCS-Infra­struk­tur unrentabel.

Kleiner Exkurs zum Thema „Kompromiss“

Schlimm, dass auf der höchs­ten poli­ti­schen Ebe­ne unse­res Lan­des eine der­art hin­ter­häl­ti­ge Tak­tik mög­lich ist, sowie das intel­lek­tu­ell nied­rig ste­hen­de Den­ken, auf dem sie basiert. Schlimm, dass auch die SPD das alles mit­macht, statt sich zu einer Rol­le als Kor­rek­tiv beru­fen zu füh­len.
Nina Scheer, ener­gie- und kli­ma­po­li­ti­sche Spre­che­rin der SPD-Bun­des­tags­frak­ti­on und stell­ver­tre­ten­de Lei­te­rin der Arbeits­grup­pe Kli­ma- und Ener­gie­po­li­tik in den Son­die­rungs­ge­sprä­chen wur­de vom Tages­spie­gel gefragt:
“Der Bau von Gas­kraft­wer­ken mit CCS ist laut Koali­ti­ons­ver­trag zuläs­sig. Die SPD war eigent­lich dage­gen. Was kann Ihre Par­tei dem Vor­schlag plötz­lich abge­win­nen?” Ihre Antwort:

“Es müs­sen in einem Koali­ti­ons­ver­trag immer Kom­pro­mis­se gemacht wer­den, die auch bedeu­ten kön­nen, dass Din­ge ver­stän­digt wer­den, die von einer Sei­te kri­tisch gese­hen wer­den. In der Umset­zung wird dar­auf zu ach­ten sein, kei­ne ver­län­ger­ten Abhän­gig­kei­ten von fos­si­len Gasen bezie­hungs­wei­se kei­ne Hemm­nis­se für den Hoch­lauf von grü­nem Was­ser­stoff zu schaffen.“

Sicher, es kann Situa­tio­nen geben, in denen Kom­pro­mis­se in der Sache unver­meid­lich sind. Nicht aber im Fall schie­rer intel­lek­tu­el­ler Unzu­läng­lich­keit, bezie­hungs­wei­se unlau­te­rer Absich­ten! Gilt die „schwe­re Ver­meid­bar­keit von Emis­sio­nen“ als Grund­kri­te­ri­um für CCS, darf man CCS nicht für die Ent­sor­gung leicht ver­meid­ba­rer Emis­sio­nen nutzen/zulassen. Wer das trotz­dem will, muss ein spe­zi­el­les Motiv haben und die­ses offen legen. Ver­wir­rung der Bevöl­ke­rung kann nie­mals Ziel eines Kom­pro­mis­ses sein!
Und wie ist zu ver­ste­hen „In der Umset­zung … dar­auf zu ach­ten …, kei­ne ver­län­ger­ten Abhän­gig­kei­ten von fos­si­len Gasen … zu schaf­fen.“? — Durch den Bau von 20 GW neu­er Gas­kraft­wer­ke sind die „ver­län­ger­ten Abhän­gig­kei­ten von fos­si­len Gasen“ laut Koali­ti­ons­ver­ein­ba­rung doch beschlos­sen. Wor­auf gibt es dabei denn jetzt noch zu ach­ten? Aber zurück zum Thema.

Fossil-Konzerne leugneten den Klimawandel

Ab ca. 1960 erkann­te die Gesell­schaft ver­mehrt den Kli­ma­wan­del als Rea­li­tät und fos­si­le Ener­gien als des­sen Haupt­ur­sa­che. Auch die fos­si­le Indus­trie war sich des Sach­ver­halts bewusst und wel­che Gefahr er für ihre Zukunft bedeu­tet. Sie such­te Hil­fe in dem, was „Wis­sen­schaft“ genannt wird: Trä­ger wis­sen­schaft­li­cher Titel wur­den bezahlt, um öffent­lich zu „bewei­sen“, dass es den Kli­ma­wan­del nicht gibt (sie­he zum Bei­spiel den Bericht des US-Kon­gres­ses vom April 2024 mit dem Titel „Leug­nen, Des­in­for­ma­ti­on und Dop­pel­zün­gig­keit: Die Bemü­hun­gen von Big Oil, sich der Ver­ant­wor­tung für den Kli­ma­wan­del zu ent­zie­hen“).

Die­se Tak­tik stell­te sich aber als zu ein­fach, als zu plump gedacht her­aus. Ange­sichts immer dras­ti­scher wer­den­der Aus­wir­kun­gen der Kli­ma­er­hit­zung war die Behaup­tung, dass es das alles gar nicht gibt, nicht auf­recht zu erhal­ten. Eine bes­se­re Stra­te­gie für die Zukunfts­si­che­rung muss­te her.

EOR wird in CCS umgelogen

Den Kon­zer­nen kam eine für ihre Zwe­cke wirk­lich raf­fi­nier­te Idee. Sie stopp­ten die Leug­nung des Kli­ma­wan­dels. Statt­des­sen bemüh­ten sie sich, sei­ne Gefähr­lich­keit mög­lichst her­aus­zu­stel­len. Doch sie prä­sen­tier­ten ein Gegen­mit­tel. Die Ursa­che des Übels sei zu viel CO₂ in der Luft. Die­ses Pro­blem kön­ne man besei­ti­gen. Man müs­se das Kli­ma­gas ein­fach unter der Erde abla­gern. Dort kön­ne es kei­nen Scha­den anrichten.

Seit den 1970er Jah­ren war es in den USA gän­gi­ge Pra­xis, CO₂ in Ölfel­der zu pres­sen. Dadurch woll­te man die För­de­rung effek­ti­vie­ren (Enhan­ced Oil Reco­very, EOR). Je nach den ört­li­chen geo­lo­gi­schen Ver­hält­nis­sen kam mit dem zusätz­lich geför­der­ten Öl das meis­te CO₂ sogleich wie­der nach oben. Ein Teil ver­blieb aber bis auf wei­te­res im Unter­grund. Dies dekla­rier­te man als „dau­er­haf­te Spei­che­rung“. Man gab dem „Enhan­ced Oil Reco­very“ ein­fach einen ande­ren Namen: „Car­bon Cap­tu­re and Sto­rage, CCS“. Am tech­ni­schen Ver­fah­ren änder­te sich dadurch gar nichts. Man kauf­te CO₂ zum Bei­spiel von Koh­le­kraft­wer­ken. Dann behaup­te­te man: Die­ses CO₂ wird teil­wei­se im Unter­grund fest­ge­hal­ten. Es ist somit der Luft ent­zo­gen und schützt das Klima.

Man häng­te jedoch eine Tat­sa­che nicht an die gro­ße Glo­cke: Bei der Ver­bren­nung des per EOR zusätz­lich geför­der­ten Öls wird ein Viel­fa­ches des im Unter­grund ver­blie­be­nen CO₂ frei­ge­setzt. In der Bilanz wird also weit­aus mehr CO₂ emit­tiert, als wenn die Abga­se des Kraft­werks unbe­han­delt in die Luft gehen wür­den. Der Über­schuss ist näm­lich enorm. Mit den „nor­ma­len“ För­der­me­tho­den kann ein Ölfeld zu 20 bis 40 Pro­zent aus­ge­beu­tet wer­den. Durch EOR stei­gert sich die­ser Wert auf 30 bis 60 Pro­zent. (Quel­le)

Bei 80% aller „CCS“ genannten Projekte handelt es sich um EOR

Viel­leicht möch­te der eine oder die ande­re jetzt mei­nen, dass die­se völ­lig absur­de Ver­keh­rung von Kli­ma­schutz in sein Gegen­teil viel­leicht aus­nahms­wei­se vor­kom­men mag. „Schwar­ze Scha­fe“ gibt es ja über­all. Doch so ist es nicht.
Die Bun­des­re­gie­rung sel­ber teilt in ihrem CCS-Eva­lu­ie­rungs­be­richt mit, dass es sich bei 70 Pro­zent sämt­li­cher „CCS“ genann­ten Unter­neh­mun­gen um EOR han­delt. Der Jour­na­list Micha­el Buchs­baum kommt auf “mehr als 80 Pro­zent” (“Wenn man zur Ret­tung des Kli­mas Öl braucht” (Quel­le)
Obwohl die meis­te „CO₂-Spei­che­rung“ die Emis­sio­nen sogar stei­gert, hin­dert das Bun­des­re­gie­rung und Befür­wor­ter nicht dar­an, das Gegen­teil zu behaup­ten: Sie stu­fen CCS als unver­zicht­ba­re Kli­ma­schutz­maß­nah­me ein und for­dern des­sen Ein­satz und Förderung.

Herkunft des CO₂ verschärft das Problem

Dabei ist das bis­her Gesag­te noch nicht alles. Ein wich­ti­ger Fakt ist hier­zu­lan­de kaum bekannt: Mehr als 70% der US-„CCS“-Projekte sind tat­säch­lich EOR. Sie nut­zen CO₂, das über­wie­gend nicht von Men­schen ver­ur­sacht wur­de (also nicht aus Kraft­wer­ken oder Indus­trie). Statt­des­sen stammt es aus natür­li­chen Vor­kom­men – das ist bil­li­ger und ein­fa­cher. So wird CO₂ aus bis­her ver­schlos­se­nen natür­li­chen Quel­len frei­ge­setzt. Die­ses gelangt dann – zusätz­lich zum CO₂ aus dem ver­brann­ten EOR-Öl – größ­ten­teils eben­falls in die Atmo­sphä­re (Buchs­baum, op.cit.).

Zur CCS-Debatte in der Gesellschaft

Laut CCS-Apo­lo­ge­ten dient das alles dem Kli­ma­schutz. Doch immer­hin gibt es auch Gegen­stim­men — und nicht weni­ge. Die Lite­ra­tur aus Stu­di­en pro und con­tra, Berich­ten und Kom­men­tie­run­gen in den Medi­en, viel­ge­stal­ti­gem Pro­pa­gan­da­ma­te­ri­al ist unüber­schau­bar gewor­den. Die Kon­tro­ver­se läuft seit annä­hernd zwei Jahr­zehn­ten.
Der­weil klop­fen sich die Kon­zern­füh­rer auf die Schen­kel. Die­se Zeit haben sie schon mal gut über die Run­den gebracht. Mit einer zu plum­pen Lüge fin­gen sie an. Die zwei­te Lüge hat dann aber geses­sen. Ein gan­zes Heer wis­sen­schaft­lich aus­ge­bil­de­ter Für­spre­cher hat sie her­vor­ge­bracht, die CCS qua­si zu ihrer Welt­an­schau­ung gemacht haben und ihre Bröt­chen damit ver­die­nen.
Auf der Sei­te der zum gro­ßen Teil ehren­amt­lich täti­gen Geg­ner konn­te durch die CCS-Debat­te ein beträcht­li­ches Poten­zi­al an Intel­li­genz und Enga­ge­ment gebun­den wer­den, das andern­falls dem Aus­bau der erneu­er­ba­ren Ener­gien zugu­te gekom­men wäre.

CCS: Der Versuch, die Vergangenheit festzuhalten

Geht man der Tak­tik der Fos­sil-Kon­zer­ne also schon auf den Leim, wenn man so viel Zeit und Ener­gie in die Aus­ein­an­der­set­zung mit der CCS-Lüge inves­tiert? Die Ant­wort ist: Nein und Ja.

Nein, man geht nicht auf den Leim, wenn man die ernst­haf­te Ana­ly­se ihrer fal­schen Behaup­tun­gen nutzt. Dadurch kann man einen schar­fen Blick, unbe­irr­tes Den­ken und eine muti­ge Hal­tung trainieren.

Ja, man geht auf den Leim, wenn man der CCS-Idee zu viel Poten­zi­al bei­misst. Das gilt auch, wenn man irgend­wann nicht erkennt, dass Erbärm­lich­keit ihr eigent­li­ches Wesen ist. Sie ist kein mit fri­schem Mut in die Zukunft gerich­te­tes Pro­jekt, sie ist der aus Not gebo­re­ne Ver­such, Ver­gan­gen­heit festzuhalten. 

Die erneu­er­ba­ren Ener­gien wach­sen aber unauf­halt­sam. Sie sind der alten Ener­gie­welt über­le­gen hin­sicht­lich Kli­ma­ver­träg­lich­keit, hin­sicht­lich Kos­ten, hin­sicht­lich Resi­li­enz und – wegen ihres dezen­tra­len Wesens – hin­sicht­lich Demo­kra­tie­freund­lich­keit. Gegen all das hat die fos­si­le Bran­che nichts anzu­bie­ten. — Wür­de sie doch wenigs­tens den Mumm auf­brin­gen, den es zum „Los­las­sen“ braucht! Welch gigan­ti­schen Gefal­len wür­de sie damit der Welt und sich sel­ber tun! Ver­hin­dern kann sie den Ener­gie­wech­sel nicht, aber sie kann ihn durch CCS hin­aus­zö­gern und neben Öl und Gas Unsum­men von Geld ver­bren­nen, das für den Auf­bau des Neu­en zum Woh­le aller ein­ge­setzt wer­den sollte.

Neu sichtbar gewordenen Defizite

CCS kann nie­mals eine epo­che­ma­chen­de Lösung wer­den. Ver­gleicht man die heu­ti­ge Dis­kus­si­on mit der vor 15 Jah­ren, so stellt man fest, dass die Befür­wor­ter nur Din­ge wie­der­ho­len kön­nen, die damals schon vor­ge­bracht wur­den. Auf der Gegen­sei­te sind neue, bedeu­ten­de Argu­men­te hin­zu gekom­men: Der frü­her als „Vor­zei­ge­spei­cher“ gehan­del­te „Sleip­ner“ demons­triert heu­te, dass selbst inten­sivs­te geo­lo­gi­sche Unter­su­chun­gen kei­ne wirk­lich siche­ren Erkennt­nis­se erbrin­gen kön­nen. (Quel­le)
Aktu­ell wird man bei der Pla­nung von CO₂-Pipe­lines auf Fol­gen­des auf­merk­sam: CO₂-Strö­me aus ver­schie­de­nen indus­tri­el­len Quel­len sind mit unter­schied­li­chen Ver­un­rei­ni­gun­gen belas­tet. Wenn sol­che Strö­me in einem Rohr zusam­men­ge­führt wer­den, wie es in Deutsch­land vor­ge­se­hen ist, kön­nen gefähr­li­che Mischun­gen ent­ste­hen. Das Wup­per­tal Insti­tut bezeich­net das Pro­blem als „hoch­re­le­vant und nicht tri­vi­al“. Bereits gerin­ge Men­gen an Begleit­stof­fen könn­ten dazu füh­ren, dass sich das Gas plötz­lich aus­dehnt. „Dadurch könn­ten Ris­se ent­ste­hen und Gas ent­wei­chen.“ (Quel­le)

Das pro CCS ein­ge­stell­te Kon­sor­ti­um GEOSTOR kommt nach Unter­su­chun­gen des Nord­see­un­ter­grun­des zu einem doch sehr ver­hal­te­nen Zwi­schen­er­geb­nis: „Auf­grund der begrenz­ten Kapa­zi­tä­ten und mög­li­cher Umwelt­ri­si­ken soll­te … nur jene CO₂-Rest­men­ge depo­niert wer­den, deren Ent­ste­hung sich trotz kon­se­quen­ter Kli­ma­po­li­tik nicht ver­mei­den lässt. … Die wesent­li­chen Her­aus­for­de­run­gen lie­gen aktu­ell dar­in, Vor­keh­run­gen zu tref­fen, mit denen Lecka­gen aus dem Spei­cher­ge­stein ver­mie­den wer­den kön­nen.“ (Quel­le)

Nackt wie der Kaiser

Die Bun­des­re­gie­rung ver­brei­tet zum Bei­spiel unsäg­li­che Behaup­tun­gen. Die Spei­cher sei­en über geo­lo­gi­sche Zeit­räu­me dicht. Ihre Kapa­zi­tät sei schier uner­schöpf­lich. Lecka­gen? Unwahr­schein­lich. Grund­was­ser­schä­den? Nicht zu befürch­ten. CCS? Uner­läss­lich für die Kli­ma­zie­le. Sol­che Aus­sa­gen las­sen an Des Kai­sers neue Klei­der den­ken. Dort insze­nier­ten die Betrü­ger eben­falls einen Rie­sen­spek­ta­kel um nichts. Erst ein Kind trau­te sich zu sagen: „Aber er hat ja gar nichts an.“

Ver­an­stal­tungs­hin­weis: Beach­ten Sie auch das von Power­Shift orga­ni­sier­te Web­i­nar zum The­ma am Mon­tag, den 12. Mai 2025, um 18:00 Uhr. 

CCS: Stoppt den industriellen Hochlauf!

Die Bun­des­re­gie­rung hat den Hoch­lauf der umstrit­te­nen CCS-Tech­nik beschlos­sen. Mil­li­ar­den an Steu­er­gel­dern sol­len dafür an die Gas­in­dus­trie flie­ßen. Eine „Car­bon Manage­ment-Stra­te­gie“ wird aktu­ell in einem exklu­si­ven Rah­men erar­bei­tet und soll bis Sep­tem­ber 2023 einen Infra­struk­tur­plan und Rechts­si­cher­heit für die Indus­trie lie­fern, eine öffent­li­che Dis­kus­si­on ist nicht vor­ge­se­hen.
Man befürch­tet wohl, dass sich das Gesche­hen von vor 12 Jah­ren wie­der­ho­len könn­te, als fun­dier­te Auf­klä­rung durch Bür­ger­initia­ti­ven zu einer gesell­schafts­wei­ten Ableh­nung und in meh­re­ren Bun­des­län­dern zum Ver­bot der CCS-Tech­nik führte.

Die Zivil­ge­sell­schaft muss die nöti­ge öffent­li­che Debat­te über die­ses schwer­wie­gen­de The­ma also wie­der selbst in Gang bringen.

Demonstration gegen CCS in der Altmark

Wir haben für die Fest­stel­lun­gen in die­sem Bei­trag um Unter­stüt­zung gebe­ten. Vie­le Orga­ni­sa­tio­nen und Ein­zel­per­so­nen sind unse­rem Auf­ruf gefolgt!
Inzwi­schen haben wir meh­re­ren Regie­rungs­ver­tre­ter (Bun­des­kanz­ler Olaf Scholz, Wirt­schafts­mi­nis­ter Robert Habeck, Unmwelt­mi­nis­te­rin Stef­fi Lem­ke) das auf die­sem Bei­trag basie­ren­de Posi­ti­ons­pa­pier unter Bei­fü­gung der ein­ge­gan­ge­nen Unter­schrif­ten zukom­men las­sen.

Nach­fol­gend der Inhalt unse­res Posi­ti­ons­pa­piers (eng­lish ver­si­on available here):

CCS bezweckt nicht Kli­ma­schutz, son­dern jahr­zehn­te­lan­ge Fort­set­zung der Koh­len­stoff­ver­bren­nung und wäre der GAU für die Energiewende.

In ihrem Arti­kel CCU/CCS: Bau­stein für eine kli­ma­neu­tra­le und wett­be­werbs­fä­hi­ge Indus­trie schreibt die Bun­des­re­gie­rung, dass CCS „vor allem bei der Indus­trie und Abfall­wirt­schaft“ ein­ge­setzt wer­den soll, wäh­rend in der Ener­gie­er­zeu­gung die erneu­er­ba­ren Ener­gien „prio­ri­tär“ sei­en. Bei­de For­mu­lie­run­gen las­sen erken­nen, dass der CCS-Ein­satz bei der Ener­gie­er­zeu­gung kei­nes­wegs aus­ge­schlos­sen wird. Schließ­lich hat Habeck wesent­li­che ener­gie­wirt­schaft­li­che Wei­chen in Rich­tung LNG und blau­en Was­ser­stoff gestellt, deren erheb­li­che CO₂-Emis­sio­nen durch CCS beschö­nigt wer­den müssen.

Warum CCS nur eine Beschönigung ist

Unter­ir­di­sche CO₂-End­la­ger sind zwangs­läu­fig undicht. Die aus­ge­för­der­ten Gas- und Ölfel­der, in die CO₂ ver­presst wer­den soll, sind von undich­ten Bohr­lö­chern, Brü­chen und Weg­sam­kei­ten durch­setzt. Bereits heu­te geht man davon aus, dass an etwa drei Vier­teln der ca. 15.000 alten Bohr­lö­cher in der Nord­see Methan (ca. 80fache Kli­ma­wirk­sam­keit von CO₂) aus­tritt. Druck­erhö­hung durch CO₂-Ein­pres­sung wür­de dies ver­stär­ken und gleich­zei­tig Weg­sam­kei­ten für CO₂ ausweiten.

Wenn CO₂ in „sali­ne Aqui­fe­re“ (mit extrem salz­hal­ti­gem Was­ser gefüll­te For­ma­tio­nen) gepresst wird, ver­drängt es zwangs­läu­fig das Salz­was­ser. Die­ses weicht nach oben aus, kon­ta­mi­niert das nutz­ba­re Grund­was­ser und gibt gleich­zei­tig dem CO₂ den Weg in die Atmo­sphä­re frei.

Die Regie­rung behaup­tet, in den genann­ten For­ma­tio­nen kön­ne das CO₂ „sicher über geo­lo­gi­sche Zeit­räu­me gespei­chert“ wer­den. In dem sogar gern als Mus­ter­bei­spiel ange­führ­ten „Spei­cher“ Sleip­ner bei Nor­we­gen sind schon nach eini­gen Jah­ren nur noch 80% des ver­press­ten CO₂ nach­weis­bar. (Vgl. u.a. Prof. Wall­mann, Geo­mar, im „Spie­gel“ vom 25.09.2011).

Betreiber wollen die Ewigkeitslasten an den Staat abschieben

CO₂-Aus­trit­te sind so wahr­schein­lich, dass die Gas­kon­zer­ne, die die Depo­nien betrei­ben, für deren Dich­tig­keit nicht haf­ten wol­len. Sie argu­men­tie­ren: dem Staat, der das CCS-Pro­jekt geneh­migt hat, fal­le auch die Ver­ant­wor­tung zu. Die durch CO₂-End­la­ger unter der Nord­see oder in Nord­deutsch­land ent­ste­hen­den Ewig­keits­las­ten durch dau­er­haf­te Über­wa­chung und Fol­gen von Lecka­gen, deren Besei­ti­gung tech­nisch völ­lig unge­klärt ist, sol­len also der Bevöl­ke­rung auf­ge­bür­det wer­den. Dies hat die Bun­des­re­gie­rung nicht offengelegt!

Energieintensiv, teuer, CO₂-Abscheidung immer nur partiell

Was die Bun­des­re­gie­rung eben­falls nicht offen­legt: für das CCS-Ver­fah­ren von der Abschei­dung über den Trans­port bis zur Ver­pres­sung wird etwa ein Drit­tel der von einem Kraft­werk erzeug­ten Ener­gie benö­tigt. Schon jetzt kos­tet der Fos­sil­strom ein Viel­fa­ches des erneu­er­ba­ren. Durch den Auf­wand mit CCS wür­de sich der Preis noch ver­dop­peln. Zusätz­lich ist zu beach­ten, dass das CO₂ aus Rauch­ga­sen nie­mals voll­stän­dig abge­schie­den wer­den kann: Bei den meis­ten CCS-Kraft­wer­ken liegt der Anteil bis­her bei 50%. Auch unter­stellt, dass das CO₂ zu 100% und für alle Zei­ten im Unter­grund ver­blei­ben wür­de, kann CCS also kei­ne Dekar­bo­ni­sie­rung bewirken.

Negative Emissionen durch Biomasse-CCS, Carbon Capture and Use

Nega­ti­ve Emis­sio­nen sei­en mög­lich, wenn aus den Abga­sen von Holz­kraft­wer­ken das CO₂ abge­schie­den und depo­niert wer­de, da die­ses aus der Luft ins Holz gekom­men ist, so die Bun­des­re­gie­rung. Was sie nicht ver­rät: Die CO₂-Abschei­dung aus der Holz­ver­bren­nung ist weit­aus schwie­ri­ger als die aus den Abga­sen der Kohle.

Beim welt­größ­ten Holz­kraft­werk in Eng­land möch­te man jähr­lich 8 Mill. Ton­nen abschei­den und ver­pres­sen, konn­te bis­her aber ledig­lich eine Abspal­tung von 27 Ton­nen in 90 Tagen erreichen.

Bei der Müll­ver­bren­nung ist die Pro­ble­ma­tik ähn­lich: Die größ­te Müll­ver­bren­nungs­an­la­ge Nor­we­gens (Hafs­lund Oslo Cel­sio) plant eine jähr­li­che Abschei­dung von 400.000 Ton­nen, schaff­te bis­lang aber nur ca. 1000 Ton­nen in etwa einem Jahr.
Das abge­spal­te­ne CO₂ nicht zu ver­pres­sen, son­dern zu nut­zen, trägt eben­falls nicht zum Kli­ma­schutz bei, da das CO₂ nach Ende der Nut­zung wie­der in die Atmo­sphä­re gelangt.

Der Atmo­sphä­re oder den Ver­bren­nungs­ga­sen CO₂ zu ent­zie­hen, ist im Übri­gen schon vom Ansatz her ver­fehlt: ent­fernt wer­den muss der Koh­len­stoff, nicht aber der Sau­er­stoff. Die natür­li­che Pho­to­syn­the­se macht vor, wie es rich­tig ist.

Unlogische Flickschusterei, die Klima und Umwelt schadet

Tech­nisch und wirt­schaft­lich hat die Tech­nik trotz Mil­li­ar­den För­der­mit­teln (allein in der EU) inter­na­tio­nal ver­sagt. Nur eine win­zi­ge Men­ge von 7,18 Mil­lio­nen Ton­nen im Jahr, vor allem aus der Erd­gas­auf­be­rei­tung, wird heu­te unter­ir­disch depo­niert. Die Methan­men­gen im Aus­maß eines CO₂-Äqui­va­len­tes von 4 Mrd. Ton­nen, die im Zuge der Erd­gas­pro­duk­ti­on vor der Ver­bren­nung jähr­lich in die Atmo­sphä­re gelan­gen, wer­den durch CCS sowie­so nicht erfasst.

Die Lösung: komplette Beendigung der Kohlenstoffverbrennung

Die Bun­des­re­gie­rung muss den Irr­weg CCS sofort ver­las­sen. Die dadurch frei wer­den­den immensen Mit­tel müs­sen ein­ge­setzt wer­den für:

  • Umstieg auf 100% Erneu­er­ba­re Ener­gien in allen Sek­to­ren bis 2030
  • Umstel­lung der Indus­trie auf kli­ma­freund­li­che Verfahren
  • Sanie­rung der Atmo­sphä­re durch Nut­zung der natür­li­chen Photosynthese:
  • Wie­der­vernäs­sung von Moo­ren und natur­na­he Auf­fors­tung, was — neben dem Kli­ma­schutz — auch dem Arten- und Bio­di­ver­si­täts­schutz dient.

Fast 70 Organisationen und Einzelpersonen unterstützen bereits unser Papier

Am 5. Juni 2023 wur­de das Papier zusam­men mit der Lis­te der Unter­zeich­nen­den an Bun­des­kanz­ler Scholz, Wirt­schafts­mi­nis­ter Habeck und Umwelt­mi­nis­te­rin Lem­ke versandt.

Eben­falls am 5. Juni 2023 wur­den die Medi­en durch eine Pres­se­mit­tei­lung informiert.

Weitere Unterstützer des Positionspapiers sind herzlich willkommen!

Ein mög­lichst gro­ßer Kreis, der sich auch an künf­ti­gen Akti­vi­tä­ten zum The­ma betei­li­gen wür­de, wäre sehr wert­voll und daher wün­schens­wert. Tei­len Sie uns Ihr Inter­es­se ein­fach form­los per E‑Mail an presse@energiewende-2030.de mit. Hier­für bedan­ken wir uns im Vor­aus!
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